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Gendiagnostik durch Polkörperuntersuchung  
  Präimplantationsdiagnostik (PID), eine Methode zur Feststellung genetischer Schäden, ist in Österreich verboten. Erstmals wurde nun erfolgreich eine Alternative - die "Polkörperdiagnostik" - angewandt.  
Komplizierter, aber rechtlich unbedenklich
Die Erfolgsrate bei der In-Vitro-Fertilisierung (IVF) liegt in Österreich zwischen 20 und 30 Prozent. Hauptursache für Misserfolg sind genetische Fehler der Eizellen, sagen Experten.

Eine Methode, solche genetischen Schädigungen herauszufinden ist die klassische Präimplantationsdiagnostik: Im 8-Zellstadium der Embryonen wird eine Zelle entnommen und untersucht. Diese Methode ist allerdings in Österreich - so wie in einigen anderen Ländern - rechtlich nicht erlaubt.

Die wesentlich kompliziertere aber rechtlich unbedenkliche Alternative daher: die Polkörperdiagnostik.
Technisch aufwändige Untersuchung
Die Eizelle sondert während der Reifung - nach Injektion der Samenzelle aber noch vor der Kernverschmelzung - zwei Polkörperchen ab. Sie enthalten jeweils einen vollständigen aber eben überschüssigen Chromosomensatz der Mutter.

In einem Zeitfenster von nur wenigen Stunden werden nun diese beiden Polkörper genetisch untersucht. Stellen sich dabei Abweichungen in den Chromosomensätzen heraus - etwa dass ein Chromosom fehlt - so kann daraus auf Fehler in der Eizelle selbst geschlossen werden: Dort muss ein Chromosom zuviel zurück geblieben sein.

Zusammen mit dem Chromosomensatz des Vaters würde das dann zu einer Trisomie führen.
Methode erstmals in Österreich erfolgreich angewendet
Der Wiener Spezialist für künstliche Befruchtung Wilfried Feichtinger und der Genetiker Markus Hengstschläger haben diese Polkörperuntersuchungsmethode nun erstmals auch in Österreich erfolgreich durchgeführt.

Hengstschläger im ORF-Radio: "Das Hauptziel dieser Technik ist, dass man nachschauen kann, welcher dieser Embryonen überhaupt eine Schwangerschaft auslösen bzw. zur Geburt eines Kindes führen kann."

Einerseits soll damit verhindert werden, dass man einen Embryo verwendet, der dies nicht vermag - und damit mehrere Runden von künstlicher Befruchtung auslöst. Und andererseits sollen allgemein die physischen und psychischen, aber auch die ökonomischen Konsequenzen für die Frau optimiert werden, so Hengstschläger.
Nur Erbkrankheiten der Mutter werden erfasst
Da die Polkörperuntersuchung ansetzt, ehe es zur Kernverschmelzung kommt, also ehe das Erbgut des Vaters eingebracht ist, können mittels Polkörperdiagnostik nur Erbkrankheiten erfasst werden, die von der Mutter weitergegeben werden.

Wilfried Feichtinger weist aber darauf hin, dass insbesondere bei Frauen über 35 Jahre Fehler in der Chromosomenverteilung drastisch zunehmen: "Wir wissen, dass bis zu 70 Prozent aller Eizellen bei über 35-jährigen Frauen mit Chromosomenunregelmäßigkeiten behaftet sind."
Ziel: Steigerung der Erfolgsrate von IVF
Zielgruppe für die Polkörperdiagnostik sind laut Hengstschläger und Feichtinger daher Frauen, die über 35 Jahre alt sind oder bereits mehrere Fehlversuche der IVF hinter sich haben und wo nicht klar ist, warum die Versuche fehlgeschlagen sind.

Feichtinger geht davon aus, dass durch Polkörperdiagnostik die Erfolgsrate der IVF um zehn Prozent gesteigert werden kann. Und die Zahl der Fehlgeburten könne sogar auf die Hälfte, also auf etwa sieben bis acht Prozent reduziert werden, so der IVF-Spezialist.

Franz Simbürger, Ö1-Wissenschaft, 1.7.05
->   Wilfried Feichtinger
->   Beiträge von bzw. zu Markus Hengstschläger in science.ORF.at
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Bioethikkommission für beschränkte PID-Zulassung (19.7.04)
->   Ulrich Körtner: Argumente für beschränkte PID (19.7.04)
->   Markus Hengstschläger: Geregelte PID auch in Österreich? (1.7.02)
 
 
 
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01.01.2010