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Wie wahrscheinlich ist der "Weltuntergang"? (I)  
  Meteoriteneinschläge, Grippe-Epidemien oder Atomkriege: Woran wird die Menschheit zugrunde gehen? Nach dem Vorbild des britischen Guardian befragte das "Universum Magazin" in seiner neuesten Ausgabe zehn österreichische Experten zu diesen und anderen Weltuntergangsszenarien. Sie bewerteten die Eintrittswahrscheinlichkeit im Lauf eines Menschenlebens und das Auslöschungspotenzial auf der Skala von eins ("Für Menschheit gleichgültig") bis zehn ("Sie wird ausgerottet").  
1. Meteoriteneinschlag: Mensch überlebt
Christian Köberl, Geochemiker am Institut für geologische Wissenschaften der Universität Wien: "Der fatalste Meteoriteneinschlag passierte vor rund 65 Millionen Jahren auf der Halbinsel Yucatan in Mexiko. Er hat die Hälfte der damaligen Tier- und Pflanzenarten ausgelöscht, auch die Dinosaurier. Der Krater hat 200 Kilometer, der Kleinplanet hatte zirka zehn Kilometer im Durchmesser.

Beim Einschlag schmolz Gestein in Sekundenschnelle und wurde glutflüssig tausende Kilometer weit geschleudert. Riesige Waldbrände waren die Folge, die Atmosphäre platzte durch die Druckwelle auf und bis zu 30.000 Kubikkilometer Staub wurden hinausgeschleudert. Der verteilte sich um die Erde und verhinderte über mehrere Monate die Photosynthese.

Astronomen kennen einige 1.000 größere Himmelskörper mit ihren Bahnen um die Erde. Da gäbe es eine Vorwarnzeit von einigen Monaten. Ein Objekt von 20 bis 30 Metern kann aber aus blauem Himmel einschlagen und regional starke Schäden verursachen. Ich glaube aber, dass kein bekanntes geologisches Ereignis die Menschheit ausrotten kann."
->   Christian Köberl
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Wahrscheinlichkeit, dass in den nächsten 70 Jahren ein Meteorit bis 50 Meter Durchmesser die Erde trifft: hoch; für größere Objekte ist die Wahrscheinlichkeit geringer, aber nicht null.
Auslöschungspotenzial: je nach Größe 2 bis 8
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2. Supervulkane: Der nächste liegt bei Neapel
Robert Supper, Geophysiker an der Geologischen Bundesanstalt (GBA) in Wien: "Weltweit gibt es rund 18 Supervulkane. Sie brechen nur alle paar hunderttausend Jahre aus, stoßen dann aber mit enormer Wucht große Mengen Magma, Asche und Gase aus. Unter den Phlegräischen Feldern westlich von Neapel schlummert ein potenzieller Supervulkan. Das letzte Mal ist er vor rund 40.000 Jahren ausgebrochen.

Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Vesuv bald wieder ausbricht. In beiden Fällen müssten in dem dicht besiedelten Gebiet rund um die süditalienische Metropole Hunderttausende in wenigen Tagen evakuiert werden, mit nicht zuletzt wirtschaftlichen Folgen für ganz Europa.

Von den natürlichen Auswirkungen könnte der Vesuv mit Krakatau vergleichbar sein. Wenn die Asche bis in die Atmosphäre vertragen wird, kann es in ganz Europa über mehrere Jahre abkühlen."
->   Geophysik (GBA)
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Wahrscheinlichkeit für den Supervulkanausbruch in den Campi flegrei in den nächsten 70 Jahren: sehr gering, der Vesuv wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ausbrechen.
Auslöschungspotenzial: beim Supervulkan 8, beim Vesuv 4
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3. Klimawandel: Eine Fülle von Folgen
Helga Kromp-Kolb, Leiterin des Instituts für Meteorologie der Universität für Bodenkultur in Wien: "Der Klimawandel bietet nicht nur ein 'Schreckensszenario', sondern viele. Mit dem Anstieg der globalen mittleren Temperatur können sich Flüchtlingsströme auf das Ausmaß von Völkerwanderungen steigern. Weil der Meeresspiegel steigt, werden zahlreiche Inseln und Küstenregionen überflutet.

Wenn der Golfstrom abreißt - nach dem Jahr 2100 -, wird es in Mitteleuropa abrupt um vier bis sechs Grad abkühlen, lokal vermutlich noch mehr. Zusätzlich wird es windiger und trockener. Der Alpenraum hat sich in den letzten 150 Jahren überproportional erwärmt. Wintersportorte werden sich also etwas Neues überlegen müssen. Bei steigenden Temperaturen können zudem die Schutzwälder großflächig absterben.

Im Gegensatz zu anderen Katastrophenszenarien können wir beim Klimawandel aber noch etwas unternehmen. Wenn bis 2050 auf der ganzen Welt die Emissionen um 80 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden, können wir das Schlimmste verhindern."
->   Helga Kromp-Kolb (Boku)
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Wahrscheinlichkeit, dass das Klima in den nächsten 70 Jahren "kippt", bei Nichtstun: sehr hoch, bei engagiertem Vorgehen: gering.
Auslöschungspotenzial: 7
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4. Telomere: Die evolutionäre Uhr läuft ab
Reinhard Stindl, Krebsforscher an der Medizinischen Universität Wien: "Aus der Krebsforschung ist bekannt, dass die DNA-Abschnitte am Ende jedes Chromosoms, genannt Telomere, mit jeder Zellteilung kürzer werden. Die stufenweise Verkürzung der Telomere in Körperzellen ist eine Art 'biologisches Zählwerk'.

Erreichen die Telomere eine kritische Länge, ist keine Regeneration des Gewebes durch Zellteilung mehr möglich. Meine Hypothese beruht darauf, dass die Telomere auch im Lauf der Weitergabe über Generationen kürzer werden. Für Arten, die schon sehr lange die Erde bevölkern, läuft dann die Zeit auf ihrer artspezifischen evolutionären Uhr ab.

Die Chromosomen werden instabil, neue Arten entstehen oder die Art stirbt aus. Bereits heute werden viele altersbedingte Krankheiten wie Arteriosklerose, Krebs oder Immunschwäche auf die Abnützung der Chromosomenenden zurückgeführt. Das immer frühere und gehäufte Auftreten dieser Krankheiten über die letzten Jahrzehnte ist für mich ein eindeutiges Zeichen, dass unsere Telomere eine kritische Länge erreicht haben."
->   Reinhard Stindl (Medizin-Uni Wien)
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Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch in den nächsten 70 Jahren durch Telomer-Erosion ausstirbt: gering
Auslöschungspotenzial: 8
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5. Virale Pandemie: Grippe wird unterschätzt
Franz X. Heinz, Leiter des Instituts für Virologie der Medizinischen Universität Wien: "Die Influenza ist sicher die meist unterschätzte Virusinfektion, dabei sterben in den Grippewellen jedes Jahr bis zu hunderttausende - vor allem ältere - Menschen weltweit. Das Influenza-Virus mutiert kontinuierlich und überlistet so unser Immunsystem.

Die Spanische Grippe, der größte Seuchenzug des vergangenen Jahrhunderts, tötete 1918/1920 bis zu 40 Millionen Menschen. Dabei kam es zu einem Genaustausch zwischen einem Vogel- und einem Säugerinfluenza-Virus. So entstand ein gefürchteter Virustyp, der von Mensch zu Mensch per Tröpfcheninfektion übertragbar war. Heute sind wir besser vorbereitet als Anfang des 20. Jahrhunderts, aber nach wie vor sehr sensibel.

Mittlerweile gibt es Medikamente, die gegen alle in der Natur vorkommenden Influenza Viren wirksam sind - so genannte Neuraminidase-Hemmer. Mit einer Verzögerung, spätestens bei der 2. Grippewelle, hätte man auch einen Impfstoff entwickelt. Bis dahin sterben aber sehr schnell sehr viele Menschen."

[Universum Magazin, science.ORF.at, 5.7.05]
->   Institut für Virologie, Medizin-Uni Wien
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Wahrscheinlichkeit, dass in den nächsten 70 Jahren eine Grippepandemie um die Welt zieht: sehr hoch
Auslöschungspotenzial: 5
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->   Teil 2: Terrorismus, Nuklearkrieg, Roboter, Schwarze Löcher, Kosmische Strahlung
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Die Interviews stammen von Astrid Kuffner, die komplette Geschichte erscheint am 6. Juli in der neuesten Ausgabe des "Universum Magazins".
->   Universum Magazin
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01.01.2010