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Gesundheit: Beruf aussagekräftiger als Gene  
  Natur oder Umwelt? Was seit Jahrhunderten als Alternative für die Erklärung von menschlichem Verhalten gilt, ist auch in der Medizin nach wie vor umstritten. Eine Studie versetzt den Meldungen zur Vorrangigkeit des genetischen Make-up nun einen Dämpfer. Bei dem Vergleich von Zwillingen fanden US-Forscher heraus, dass der gegenwärtige Beruf eine größere Bedeutung für den Gesundheitszustand hat als die Gene.  
Nancy Krieger von der Harvard School of Public Health und ihr Team zeigten, dass eine Reihe medizinisch relevanter Parameter - wie Blutdruck, Körpergewicht oder Cholesterinspiegel - besser mit der beruflichen Situation von Erwachsenen zu erklären ist als mit ihren körperlichen Voraussetzungen. Ihre Studie haben sie im Open-Access-Journal "PLoS Medicine" veröffentlicht.
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Die Studie "Lifetime Socioeconomic Position and Twins' Health: An Analysis of 308 Pairs of United States Women Twins" ist in "PLoS Medicine" (DOI: 10.1371/journal.pmed.0020162; 26.7.05) erschienen.
->   Die Studie
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308 weibliche Zwillingspaare
Zwillingsstudien sind ein guter Gradmesser für die Frage, welchen Einfluss die Lebensumstände von Erwachsenen auf die Gesundheit haben: Zwillinge verfügen nicht nur über die gleiche genetische Grundausstattung, sie wachsen üblicherweise auch in der gleichen Umgebung und unter gleichen Bedingungen auf.

Insgesamt 308 weibliche Zwillingspaare wurden deshalb von Krieger und ihrem Team aus der "Kaiser Permanente Women Twins Study" ausgewählt, 178 von ihnen waren eineiige, 130 zweieiige Zwillinge.
Lebten alle in der Kindheit zusammen
Alle Paare lebten zumindest bis zu ihrem 14. Lebensjahr gemeinsam, irgendwann aber trennten sich ihre Wege. Ausbildung, beruflicher Werdegang und Status sowie ihre aktuellen Gesundheitsdaten wurden von den US-Medizinern via Fragebogen ermittelt.

Die gegenwärtige berufliche Situation teilten sie in zwei Kategorien ein: zum einen in "working class" (nicht-selbstständige Arbeiter), zum anderen in "professional/non working class" - (Selbstständige, Angestellte und Unternehmer).
Verschiedene Berufe, unterschiedliche Gesundheitsdaten
Die Ergebnisse waren nach Auskunft der Forscher eindeutig: Die Zwillinge mit unterschiedlichem beruflichen Status hatten signifikant unterschiedliche Gesundheitsdaten. Bei Zwillingen hingegen, die sich in ähnlichen beruflichen Situationen befanden, fanden sich auch ähnliche Gesundheitswerte.

Arbeiter-Zwillinge verfügten im Vergleich zu den Selbständigen- und Unternehmer-Zwillingen über einen deutlich höheren Blutdruck, einen höheren Body-Mass-Index (BMI) sowie höhere Cholesterin- und Zuckerwerte.
Ausbildungsniveau nicht entscheidend
Auch die Selbsteinschätzung der Gesundheit unterschied sich deutlich: Zwillingspaare, die im späteren Leben in verschiedenen Sozialschichten landeten, schätzten den Zustand ihres eigenen Körpers weit unterschiedlicher ein als Paare in den gleichen Berufssparten.

Nebenerkenntnis: Verschiedene Ausbildungsniveaus führen noch nicht automatisch zu unterschiedlichen Gesundheitsdaten - die Differenzierung dürfte also erst danach im Berufsleben einsetzen.
Gesundheitspolitische Auswirkungen
Nancy Krieger hält die Ergebnisse ihrer Studie auch politisch für bedeutsam: Allgemeine Gesundheitsmaßnahmen sollten sich nicht "nur" auf Kinder beziehen, sondern auch die Erwachsenen nicht außer Acht lassen.

Denn der Gesundheitszustand hänge offensichtlich mit sozioökonomischen Faktoren zusammen - selbst bei Zwillingen.

[science.ORF.at, 27.7.05]
->   "Kaiser Permanente Women Twins Study"
->   Harvard School of Public Health
->   International Society for Twin Studies
->   Links zu Zwillingsforschungen
 
 
 
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01.01.2010