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Literatenkritik: Rechtschreibreform schon bei Nazis  
  Am Montag tritt die Rechtschreibreform in Kraft. Ähnliche Reformansätze habe es schon in der Nazi-Zeit gegeben, geben deutsche Wissenschaftler und österreichische Literaten zu bedenken.  
Das werde in der Diskussion aber verschwiegen. Deshalb fordern sie in einem Manifest nun das Ende der Reform.
"Filosof" ist nicht neu
Zwischen der aktuellen Rechtschreibreform und Ambitionen der Nationalsozialisten sehen zwei deutsche Wissenschaftler Parallelen: Einer von ihnen ist Reinhard Markner vom interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Markner nennt als Beispiele die ausspracheorientierte Schreibweise von Fremdwörtern (wie z.B. "Filosof") und die Getrenntschreibung (wie z.B. "Rad fahren").

1941 wurde laut Markner des Weiteren über die Abschaffung des Buchstaben "X" diskutiert, über die Einführung der generellen Kleinschreibung oder das Weglassen der Dehnungsbuchstaben. Die Reform sei 1944 als "nicht kriegswichtig" gestoppt worden.
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Das Buch zum Thema
"Rechtschreibung und Nationalsozialismus. Ein Kapitel aus der politischen Geschichte der deutschen Sprache" von Hanno Birken-Bertsch und Reinhard Markner ist im Wallstein-Verlag erschienen.
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Vorgeschichte der Reform "ausgeblendet"
Die Vorgeschichte der Rechtschreibreform werde von den jetzigen Reformkommissionen nicht erwähnt, kritisiert Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der österreichischen IG Autorinnen Autoren. Es werde lediglich auf die Reform der Jahre 1901/1902 verwiesen.
Literaten fordern "Schluss! Aus! Ende! Finito!" ...
Kurz vor dem In-Kraft-Treten der neuen Rechtschreibung am 1. August starten mehrere SchriftstellerInnen einen neuerlichen Versuch, das Regelwerk auszusetzen. In dem Manifest mit dem Titel "Schluss! Aus! Ende! Finito! - Bemerkungen zur Orthographiedebatte" fordern die Unterzeichner eine Demokratisierung der Debatte um die Rechtschreibung und "Schlu? mit staatlichen Schreibregelverordnungen" (sic!) sowie "Schlusz mit der Instrumentalisierung der Schulorthographie" (sic!).
... denn sie haben Probleme mit der Rechtschreibung
Orthografische Agenden sollten die Sache unabhängiger Gremien sein, so Christian Ide Hintze, Direktor der Schule für Dichtung. Eine staatliche bzw. behördliche Verordnung der Reform sei abzulehnen.

Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren, sagt der Reform ein rasches Scheitern voraus. Es gebe aus seiner Sicht große Probleme, die einfachsten Regeln zu interpretieren.

Die Unterzeichner des Manifests fordern u.a., dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Bestrebungen für eine Rechtschreibreform während des Nationalsozialismus in die öffentliche Debatte einbezogen werden.


Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft, 29.7.05
->   IG Autorinnen Autoren
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema Rechtschreibung
 
 
 
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01.01.2010