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Krebsforschung: Neue "Tumorbremse" entdeckt  
  Damit krankhafte Zellen zu Krebszellen werden, müssen sie eine Reihe von Entwicklungsschritten durchlaufen. In den vergangenen Jahren wurden immer mehr "Checkpoints" - also Kontrollpunkte - entdeckt, an denen ihre anormale Entwicklung angehalten werden kann. Einen neuen derartigen Mechanismus hat jetzt ein internationales Team mit österreichischer Beteiligung gefunden.  
Demnach bremsen Alterungserscheinungen (Seneszenz) offenbar das Wachstum von Lymphom-Zellen. Davon berichtet eine Forschergruppe um Clemens Schmitt von der Berliner Universitätsklinik Charite und Thomas Jenuwein vom Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP).
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Zu dem Thema sind im aktuellen "Nature" (Bd. 436, Ausgabe vom 4.8.05) fünf Artikel erschienen, darunter die Studie von Schmitt, Jenuwein et al. "Oncogene-induced senescence as an initial barrier in lymphoma development" (DOI: 10.1038/nature03841).
->   "Nature"
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Drei Mechanismen, die Tumorwachstum eindämmen
Die Wissenschaftler konzentrierten sich bei ihren Arbeiten auf die Methylierung des Histons H3. Histone sind jene Protein-Kügelchen, auf denen in Zellen das Erbgut (DNA) aufgerollt ist.

Jenuwein: "Bisher kannte man vor allem drei Mechanismen, welche die Entwicklung bösartiger Zellen verhindern. Wenn die Chromosomen ungleich verteilt würden, wird die Zellteilung verhindert. Liegen DNA-Schäden vor, wird zuerst auf Reparatur geschaltet."

Gelingt das nicht, wird die Zelle in den programmierten Selbstmord (Apoptose) geschickt. Schließlich gibt es auch noch einen Kontrollmechanismus, der überprüft, ob genug Ressourcen für das Zellwachstum vorhanden sind. Bei "Unterernährung" wird ebenfalls die Bremse gezogen.
->   Methylierung (Wikipedia)
Vierte Variante: Verkleben der DNA
Jetzt gibt es aber offenbar einen weiteren Kontrollmechanismus. Er hängt von einem Methyltransferase-Enzym (Suv39h1) ab. Dieses Enzym hängt Methylreste an Histone an. Der Wiener Experte: "Diese Methyltransferase fungiert wie ein 'Wächter'."

Die Methylierung "verklebt" die Erbsubstanz auf den Histonen stärker, dadurch kann sie nicht oder nur zum Teil abgelesen werden. Das legt die betreffenden Zellen lahm.
Phänomen von Zellalterung bekannt
Interessanterweise konnten genau solche Prozesse auch bei der Zellalterung ("Seneszenz") beobachtet werden. "Seneszenz" stellt also auch eine Bremse (Checkpoint) gegen das Wachstum von potenziell bösartigen Zellen dar. Die Wissenschaftler konnten die Funktion von Suv39h1 jedenfalls - im Tiermodell genetisch veränderter Mäuse nachweisen.

Hier leisteten die IMP-Experten ihren Beitrag zu der Arbeit. Tiere, bei denen Lymphom-Zellen das Gen für die Methyltransferase abging, erkrankten schneller und starben häufiger an dieser Form von Blutkrebs.
Auf der Suche nach neuen Medikamenten
Interessant wäre es natürlich, solche Forschungsergebnisse für die Entwicklung von neuen Krebsmedikamenten zu nutzen. Hier gibt es laut Jenuwein bereits mehrere Projekte.

Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingeheim, der das Institut für Molekulare Pathologie in Wien für die Grundlagenforschung betreibt, will beispielsweise kleine (synthetische) Wirkstoffe als Inhibitoren für Methyltransferasen entwickeln.

[science.ORF.at/APA, 4.8.05]
->   Institut für Molekulare Pathologie
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   "Springendes Gen" soll Krebs-Gene identifizieren (14.7.05)
->   Krebsmythen sind in den USA weit verbreitet (27.6.05)
->   Alte Stammzellen können Krebs auslösen (23.4.05)
->   Archiv zum Thema Tumoren
 
 
 
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01.01.2010