News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Technologie 
 
Simulierte Notfallpläne für Vogelgrippe bei Menschen  
  Mit Grippemedikamenten, Impfungen und durch eine rechtzeitige Isolierung Infizierter ließe sich ein Vogelgrippe-Ausbruch bei Menschen eindämmen, bevor es zu einer verheerenden weltweiten Epidemie kommt. Zu dieser Einschätzung kommen zwei internationale Forscherteams, nachdem sie die Ausbreitung des Erregers und die Wirksamkeit verschiedener Gegenmaßnahmen am Computer simuliert haben.  
Selbst wenn sich die Vogelgrippe nicht ganz stoppen ließe, verschafften die Maßnahmen Zeit für die Herstellung eines geeigneten Impfstoffes, schreiben die Wissenschaftler in den Fachmagazinen "Nature" und "Science".
...
Die Studie "Strategies for containing an emerging influenza pandemic in Southeast Asia" von Neil Ferguson und Kollegen ist am 3. August 2005 in "Nature" erschienen (DOI:10.1038/nature04017).

Am selbsten Tag erschienen ist auch die Studie "Containing Pandemic Influenza at the Source" von Ira Longini Jr. und Kollegen in "Science Express" (DOI:10.1126/science.1115717).
...
Infizierte Tiere in Russland entdeckt
Derzeit grassiert die Vogelgrippe unter Geflügel in Asien, kürzlich wurden auch in Russland und der benachbarten Republik Kasachstan infizierte Tiere entdeckt.

Auf den Menschen ist das Virus des Typs H5N1 bisher nur vereinzelt übergegangen, mehr als 40 Menschen sind jedoch bereits daran gestorben.
->   Russische Vogelgrippe breitet sich nach Westen aus (2.8.05)
Angst vor Grippe-Pandemie
Experten fürchten eine mögliche Veränderung des Erregers, die ihn früher oder später auch von Mensch zu Mensch übertragbar machen könnte. Eine rasante weltweite Ausbreitung, eine so genannte Grippe- Pandemie, mit möglicherweise mehreren Millionen Toten könnte die Folge sein.

Ein Impfstoff gegen ein solches Grippevirus gibt es derzeit nicht, da dieser erst produziert werden kann, wenn das veränderte Virus wirklich auftaucht. Die Herstellung würde dann etwa sechs Monate in Anspruch nehmen.
Ausbruch in Südostasien simuliert
Wissenschaftler um Elizabeth Halloran von der Emory University (Atlanta/US-Bundesstaat Georgia) sowie um Donald Burke von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health (Baltimore/US-Bundesstaat Maryland) simulierten nun mit einem Computermodell den Ausbruch der Vogelgrippe in einer ländlichen Region Südostasiens.

Die bäuerliche Bevölkerung dort lebt auf engem Raum mit dem Geflügel zusammen. Deswegen glauben Experten, dass das Virus am ehesten in dieser Region die Fähigkeit erwirbt, sich direkt unter Menschen auszubreiten.
Alltägliche Kontakte simuliert
Den Computermodellen lagen Angaben zur Bevölkerungsstruktur in Thailand zu Grunde, also etwa die Altersverteilung und Haushaltsgröße in der Bevölkerung. Mit diesen Daten vollzogen die Forscher nach, wie viele Kontakte zu anderen Menschen ein typischer Bürger an einem Tag hat - am Arbeitsplatz, in der Schule oder auf öffentlichen Plätzen zum Beispiel.

Ausgehend von einem einzigen Infizierten analysierten sie dann, wie das Virus sich in der Bevölkerung ausbreitet und welche Gegenmaßnahmen die Ausbreitung am effektivsten eindämmt.
Antivirale Medikamente am wirksamsten
Am wirkungsvollsten erwies sich die Verabreichung antiviraler Medikamente. Auch eine Impfung, selbst mit einem unspezifischen, nicht genau auf den Virustyp zugeschnittenen Impfstoff, erhöhte die Chancen, die Ausbreitung zu stoppen.
...
Medikament Oseltamivir
Nach heutigem Stand der Forschung würde zu Beginn einer Vogelgrippe-Welle das Medikament Oseltamivir ("Tamiflu") eingesetzt. Mehr als 20 Staaten der Erde haben bereits bei dem Schweizer Pharmakonzern Roche das Influenza-Medikament gekauft bzw. Lieferverträge für den Fall einer Influenza-Pandemie abgeschlossen. Darunter befinden sich auch zwölf EU-Staaten.

Der Umsatz mit dem Medikament, das zur Prophylaxe und zur Therapie einer solchen Erkrankung eingesetzt werden kann, soll 2005 bereits 800 Millionen Euro betragen (2004: 330 Mio. Euro). Die österreichische Regierung hat sich zum Kauf von Oseltamivir noch nicht entscheiden können.
->   Aktuelle Studie zur Wirksamkeit von Oseltamivir
...
Aggressivität des Virus unbekannt
Allerdings hängt die Effektivität der Maßnahmen von der Aggressivität des Virus ab, die sich daraus ergibt, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt.

Darüber können die Wissenschaftler bislang nur spekulieren, denn niemand weiß, welche genauen Eigenschaften das veränderte Grippevirus haben wird. Tritt ein aggressiverer Virustyp auf, müssten zusätzlich zu den Medikamenten und der Impfung Quarantäne-Maßnahmen verhängt werden, schreiben die Forscher.
Suche nach anderen Maßnahmen
Das Problem mit antiviralen Medikamenten: Sie sind sehr teuer, weshalb sich ärmere Staaten eine flächendeckende Versorgung nicht leisten könnten. Experten suchen deshalb auch nach anderen Möglichkeiten für die Eindämmung einer drohenden Influenza-Pandemie.

Neil M. Ferguson von der Abteilung für Infektions-Epidemiologie am Imperial College in London veröffentlichen in der neuesten Ausgabe von "Nature" die Ergebnisse von Berechnungen, bei denen ebenfalls Thailand als Modell verwendet wurde.
Simulation eines ungehinderten Ausbruchs
 
Bild: Neil Ferguson

Das Video zeigt die Simulation eines ungehinderten Krankheitsausbruchs (rot=Regionen mit infizierten Individuen, grün= Regionen, die sich von Krankheit erholt haben; Zeitraum der Simulation: 300 Tage).
->   Zum Video
Kombination aus Prophylaxe und Isolierungsmaßnahmen
Die Fachleute: "Wir zeigen, dass die Elimination einer aufkeimenden Pandemie möglich wäre, wenn man eine geographisch abgestimmte Prophylaxe mit Isolierungsmaßnahmen in der Bevölkerung kombinierte (...). Ein Vorrat an drei Millionen Behandlungseinheiten der antiviralen Medikamente würde dafür ausreichen.

Die Effektivität dieser Maßnahmen hängt aber von der Schnelligkeit der Diagnose der ersten Fälle und der Verteilung der Medikamente ab." So müssten die ersten medikamentösen Gegenmaßnahmen bereits binnen 48 Stunden nach Auftreten der Erkrankung gesetzt werden.

Mindestens 90 Prozent der Gefährdeten müssten das Medikament erhalten. Strikte Isolierungsmaßnahmen könnten eine aufkeimende Seuche zu 90 Prozent eindämmen.
Krankheit weitet sich in drei Monaten auf ganzes Land aus
Die Fachleute gingen von einer Infektion von 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung bei einer solchen Seuche aus. 50 Prozent der Infektionen würden auch zu Krankheit führen.

Die Berechnungen zeigten, dass - so man eine Region in Thailand als Modellfall hernähme - die Krankheit in den ersten 30 Tagen lokal beschränkt bleibe und sich erst innerhalb von drei Monaten auf das gesamte Land ausbreiten könnte.
Simulation eines anfangs gehemmten Ausbruchs
 
Foto: Neil Ferguson

Das Video zeigt eine Simulation einer zuerst erfolgreichen, dann aber lückenhaften Prävention (blau=Regionen mit Behandlung und Prävention, rot=Regionen mit infizierten Individuen, grün= Regionen, die sich von Krankheit erholt haben; Zeitraum der Simulation: 300 Tage).
->   Zum Video
Frühes Eingreifen unabdingbar
Frühestes Eingreifen würde den Mitteleinsatz natürlich reduzieren, die Zahl der Erkrankungen und somit auch der möglichen Opfer senken und die Welt eventuell vor einer echten Epidemie schützen.

[science.ORF.at/APA/dpa, 4.8.05]
->   Mehr über die Vogelgrippe im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Technologie 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010