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Handyverbot für Kinder: Kritik an Ärzte-Empfehlung  
  Am Freitag hat die Wiener Ärztekammer unter Berufung auf eine EU-Studie ein Handyverbot für Kinder gefordert. Kritik daran übt nun der Wissenschaftliche Beirat Funk (WBF) - die Empfehlungen seien nicht nachvollziehbar, heißt es.  
Ihr stellvertretender Vorsitzende, Christian Wolf, wandte sich am Montag in einem Offenen Brief an den Präsidenten der Kammer, Walter Dorner.
"Nicht nachvollziehbar"
"Wenn sich die ärztliche Standesvertretung öffentlich einem so sensiblen Thema widmet, so ist zumindest zu erwarten, dass sie mit der Thematik vertraut ist und die Studienergebnisse, auf die sie sich in ihren Aussagen und Empfehlungen bezieht, sorgfältig studiert hat. Ich bedaure sehr, dass dies im gegenständlichen Fall nicht so gewesen sein kann", heißt es in dem Schreiben des WBF.

"Die von der ÄK Wien getätigten Aussagen und die daraus resultierenden Empfehlungen sind nicht nachvollziehbar und entbehren derzeit auch jeder wissenschaftlichen Grundlagen", erklärte der Wiener Arbeitsmediziner.
Die Kritik der Ärztekammer
Die Ärztekammer hat unter Hinweis auf einen in der so genannten Reflex-Studie festgestellten gentoxischen Effekt Leitlinien für mobiles Telefonieren erstellt. Empfohlen wurde unter anderen, nur in dringenden Fällen und dann nur kurz zu telefonieren, nicht am Handy zu spielen sowie es nachts nicht in Kopfnähe aufzubewahren oder besser überhaupt auszuschalten.

Das Tragen von Mobiltelefonen in der Hosentasche und auch das Versenden von SMS unter der Schulbank kann laut Kammer die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
->   Ärztekammer fordert Handyverbot für Kinder (5.8.05)
In vitro ist nicht in vivo
"Eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Reflex-Studie zeigt nämlich, dass, wie der Leiter des Österreich-Parts der Studie, Prof. (Hugo, Anm.) Rüdiger, mehrfach darauf hingewiesen hat, 'betont werden muss, dass alle im Reflex-Projekt erhobenen Daten aus In-vitro-Experimenten stammen und nicht direkt in ein Gesundheitsrisiko umgerechnet werden können. Ob und welche der beobachteten Effekte auch in vivo relevant sind, ist bisher nicht bekannt'", heißt es in dem Offenen Brief.
Weiterführende Studien nötig
"Selbstverständlich müssen die 'in-vitro'-Ergebnisse der Reflex-Studie ernst genommen werden, sie sollten auch Anlass für weiterführende Untersuchungen sein. Jeder Arzt sollte aber wissen, dass es nicht möglich und daher auch nicht seriös ist, Ergebnisse solcher in vitro-Utersuchungen auf erwiesene Gefährdungen der menschlichen Gesundheit umzumünzen", meinte Wolf.
Wiener Ärztekammer verteidigt Leitlinien
Die Wiener Ärztekammer hat inzwischen ihre Leitlinien zum Gebrauch von Mobiltelefonen verteidigt. "Sollen wir noch weitere fünf oder zehn Jahre auf noch konkretere Studienergebnisse warten?", meinte Kammerpräsident Walter Dorner am Montag in einer Aussendung.

Ärzte hätten die Pflicht, mögliche Gesundheitsgefährdungen dann aufzuzeigen, wenn sich die Hinweise darauf verdichten.

Als "durchaus positiven Beitrag" wertete Dorner, den offenen Brief von Christian Wolf zu der "Reflex-Studie". Er sei froh, dass nun endlich auch der Wissenschaftliche Beirat Funk (WBF) die Studie ernst und deren Ergebnisse zum Anlass nehme, weiterführende Untersuchungen zu fordern, so Dorner.
Vorsorgeprinzip gilt "auch in diesem Fall"
Nicht ganz verstehen könne er jedoch den Vorwurf, dass es sich hier "nur" um In-vitro-Ergebnisse handle. Die Ärztekammer habe in ihrer Aussendung vergangenen Freitag keineswegs behauptet, dass die Laborergebnisse eins zu eins auf den Menschen übertragen werden könnten.

Dorner: "Wir haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der 'Reflex-Studie' ausschließlich ein zellbiologischer Zusammenhang sowie gentoxikologische Effekte auf menschliche Zellkulturen im Laborversuch nachgewiesen wurden."

Diese Ergebnisse seien alarmierend, denn ab sofort könne eine gesundheitsschädigende Wirkung auf den Menschen nicht mehr gänzlich ausgeschlossen werden: "Und für uns Ärzte gilt auch in diesem Fall das Vorsorgeprinzip", betonte Dorner.

[science.ORF.atAPA, 8.8.05]
->   Wiener Ärztekammer
->   Wissenschaftlicher Beirat Funk
->   Die Reflex-Studie (Stiftung Verum)
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema Handy
 
 
 
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01.01.2010