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Der Trick der Zauberer: Den Scheitellappen überlasten  
  Wenn ein Magier eine Blume in der einen Hand verschwinden und in der anderen wieder auftauchen lässt, sagt uns der Verstand, dass er sie nicht von einem Ort an den anderen gezaubert haben kann, sondern etwas mit den Händen getan haben muss - obwohl wir es nicht gesehen haben. Britische Forscher haben nun das Geheimnis mit Hilfe der Hirnforschung entzaubert: Eine ganz einfache Überlastung des rechten Scheitellappens lässt uns Veränderungen in unserem Gesichtsfeld schlicht nicht wahrnehmen.  
Von ihrer Erkenntnis zeigten sich die Wissenschaftler um Nilli Lavie vom University College London relativ überrascht. Schließlich spielt nicht das visuelle Zentrum im Gehirn die größte Rolle beim Erkennen von Veränderungen, sondern der eigentlich für Konzentration zuständige Scheitellappen.
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Die Studie "Right Pariental Cortex Play a Critical Role in Change Blindness" von Nilli Lavie und Kollegen ist am 24. August 2005 im Fachjournal "Cerebral Cortex" erschienen (DOI:10.1093/bhj017).
->   "Cerebral Cortex"
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Schräg oben hinter dem Ohr ...
Den britischen Gehirnforschern ist es gelungen, den genauen Fleck im Gehirn zu identifizieren, der uns plötzliche Veränderungen im Gesichtsfeld auch bewusst wahrnehmen lässt:

Er liegt nur wenige Zentimeter schräg oben hinter dem rechten Ohr - eine Stelle, an der sich viele Menschen kratzen, wenn sie sich stark konzentrieren müssen.
... werden Veränderungen im Gesichtsfeld wahrgenommen
Dass diese Stelle im Scheitellappen aber nicht nur für die Konzentration, sondern auch die Bildverarbeitung zuständig ist, fanden Nilli Lavie und Kollegen durch eine gezielte Manipulation des Gehirns und einen Sehtest heraus:

Mittels Transkranieller Magnetstimulation (TMS) erzeugten sie schwache elektrische Ströme im Gehirn und konnten so einen Teil des Scheitellappens "überreizen". Dann legten sie den Versuchspersonen Bilder nach diesem Muster vor:
Veränderungen der Gesichter erkennen
 
Bild: Cerebral Cortex

Die Versuchspersonen sollten innerhalb von knapp drei Sekunden sagen, ob sich zwischen den beiden Bildern etwas verändert hat. Dabei wurde per Zufallsgenerator jeweils eines der vier Gesichter ausgetauscht (im Bild oben das Gesicht rechts unten).
->   Transkranielle Magnetstimulation - Wikipedia
Überreizter Scheitellappen, keine Wahrnehmung
Es zeigte sich, dass jene Personen, bei denen der rechte Scheitellappen überreizt und damit funktionsunfähig war, überhaupt keine Veränderung am Bild feststellen konnten.

Mit diesem Experiment gelang dem Forscherteam der Nachweis, dass nicht dem visuellen Zentrum im Gehirn die wichtigste Rolle bei der Identifikation von Veränderungen zukommt sondern der rechte Scheitellappen, der auch für die Konzentration zuständig ist.
Magiertricks entzaubert
Mit dieser Erkenntnis lassen sich auch die meisten Magiertricks entzaubern, erklärt die leitende Wissenschaftlerin in einer Aussendung des University College London:

"Bei einem Zaubertrick konzentrieren wir uns so stark auf das, was wir sehen, so dass das Verarbeitungszentrum damit ausgelastet ist und wir eine Änderung im Bild nicht mehr wahrnehmen können."
Wenn die rechte Hand tut, bleibt die linke unbeobachtet
Oder, um es einfacher zu sagen: "Wenn wir uns auf die linke Hand des Zauberers konzentrieren, sehen wir schlicht nicht, was die rechte tut". Und die kann in der Zwischenzeit ganz unbeobachtet die Blume aus dem Ärmel "zaubern".

[science.ORF.at, 24.8.05]
->   University College London
Mehr über visuelle Wahrnehmung in science.ORF.at:
->   Wie Gestalten im Gehirn entstehen (11.8.05)
->   Forscher entdecken "Jennifer-Aniston-Neuron" (23.6.05)
->   Gravitationsanomalien als optische Täuschungen (23.5.05)
->   Wie "visuelle Erwartungen" die Wahrnehmung beeinflussen (20.9.04)
 
 
 
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01.01.2010