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Doch kein Ur-Gestein im Erdmantel?  
  Gibt es ein geschütztes Reservoir an Ur-Gestein tief in der Erde, das noch aus der Zeit ihrer Entstehung stammt? Geochemische Daten sprachen bisher dafür, seismologische dagegen. US-Forscher haben nun Prozesse im Erdmantel offen gelegt, die ohne die "Lager-Theorie" auskommen.  
Der hohe Anteil des Edelgases Helium-3 in ozeanischem Vulkangestein ließ einige Geochemiker bisher ein geschütztes Reservoir von 4,5 Milliarden Jahre altem Ur-Gestein im Erdmantel (zwischen Erdkruste und Erdkern) vermuten.

Dieser Annahme halten Seismologen die Konvektionsströme im Mantel und die damit verbundenen Entgasungsprozesse entgegen. Woher stammt also das Isotop Helium-3 in den Vulkangesteinen?

Die Geochemiker Cornelia Class und Steven L. Goldstein der Columbia Universität sammelten weltweit Daten über basaltisches Inselgestein und entwickelten ein Rechnungsmodell, dass neue Erkenntnisse zur Helium-Evolution im Erdmantel liefert.
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Der Artikel "Evolution of helium isotopes in the Earth's mantle" erschien in der Zeitschrift Nature (Band 436, Nummer 7054, 25.8.2005, S. 1107-1112,doi:10.1038/nature03930).
->   Artikel
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Helium-Verhältnisse
Im Gegensatz zu Helium-3 (He-3) bildet sich Helium-4 (He-4) unter Radioaktivität im Erdinneren beim radioaktiven Zerfall von Thorium und Uran.

Helium, ein Edelgas, ist nicht chemisch an Minerale gebunden. Die Erde verliert Helium durch die Entgasung von Gesteinen im Erdinneren, ausgelöst durch Magmatismus und Schmelzprozesse. Das Gas wird zuerst an den Boden, dann in die Atmosphäre abgegeben.

Geologen nutzen die unterschiedlichen He-3/He-4-Verhältnisse, um die Herkunft von Gesteinen zu bestimmen. Prinzipiell gehen sie davon aus: Je mehr Helium-3 im Verhältnis zu Helium-4 vorhanden ist, desto geringer war der Einfluss von Schmelz- und Entgasungsprozessen.
->   Mehr über Helium bei Wikipedia
Ein neuer Ansatz
Bisher gab es zwei sich widersprechende Theorien: Auf der einen Seite die Annahme, dass der sehr hohe Gehalt an Helium-3 in ozeanischem Vulkangestein auf ein von Magmatismus geschütztes Lager von Ur-Gestein im tiefen Erdmantel zurückzuführen ist.

Auf der anderen Seite die Erkenntnis, dass die durch Wärme ausgelösten Schmelz- und Konvektionsprozesse, Motoren für Plattentektonik und Vulkanentstehung, den gesamten Erdmantel umfassen und so keine unentgasten Gesteine im unteren Mantel zulassen.

Die Geochemiker Cornelia Class und Steven L. Goldstein gingen nun der These nach, derzufolge Helium-3 eher gleichförmig im Erdmantel verteilt ist und bei Erhitzung nicht so effizient entgast wie bisher angenommen. Ihre Modellrechnungen scheinen das zu bestätigen.

Class und Goldstein trugen globale Daten von ozeanischen Inselbasalten zusammen, die zum Beispiel auf Hawaii, Island, den Galapagos-Inseln und Samoa zu finden sind. Diese Basalte stehen für aufsteigende Ströme von heißem Material aus dem tiefen Erdmantel (Plumes).
Entstehung der ozeanischen Inselbasalte
Diese Inselbasalte haben laut Untersuchungen der Geochemiker nicht nur einen hohen Anteil von Helium-3, sondern weisen erstaunlicherweise auch andere chemische Ähnlichkeiten mit Basalten auf, die von den mittelozeanischen Rücken stammen. Letztere werden aber nicht mit geschmolzenem Material aus dem unteren, sondern aus dem oberen Erdmantel gespeist.

Laut Class und Goldstein deutet dies auf eine gemeinsame Geschichte der Verarmung von Spurenelementen im Mantel durch Magmatismus hin. Ihre Schlussfolgerung: Die Helium-3-reichen Gesteinskomponenten der Inselbasalte sind - entgegen bisheriger Deutungen - vorher aufgeschmolzen worden. Daher bräuchte es nicht unbedingt ein vor Hitze geschütztes Lager von Ur-Gestein.
Keine vollständige Entgasung
So gehen Class und Goldstein davon aus, dass der Mantel einfach weniger Helium bei Schmelzprozessen verliert als bisher vermutet.

Die Forscher nehmen an, dass durch Oberflächenspannung auch nicht das ganze Magma aus einem teilweise aufgeschmolzen Gestein fließt. So könne auch nicht alles Wasser aus einem Küchenschwamm gepresst werden, wie William M. White der Cornell University in einem Begelietenden Kommentar ausführt.

Wenn Magma im Gestein bliebe und wieder erhärte, so würde auch Helium-3 zurückbleiben.
Kein kompletter Austritt
Wichtiges Fazit für Class und Goldstein: Der Mantel verliert weniger Helium während Schmelzprozessen als bisher angenommen. Nähere quantitative Aussagen können allerdings noch nicht getroffen werden.

Lena Yadlapalli, science.ORF.at, 25.8.05
->   Lamont-Doherty Earth Observatory (LDEO) of Columbia University
->   Department of Earth and Environmental Sciences, Columbia University
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01.01.2010