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Porphyrie: Das geheimnisvolle Leiden von König George III.  
  Als "irrer Regent" ging König Georg III. in die Geschichte ein. Höchstwahrscheinlich litt er an Porphyrie. Diese Stoffwechselkrankheit geht mit Halluzinationen, Zahnfleischschwund und akuter Unterversorgung des roten Blutfarbstoffs einher. Vermutungen zufolge könnten diese Symptome sogar den Vampir-Mythos begründet haben.  
US-amerikanische und Schweizer Forscher rund um Bruce Spiegelman und Christopher Handschin haben in Versuchen an Mäusen herausgefunden, dass ein in der Leber vorkommendes Stoffwechselprotein namens PGC-1-alpha eine Schlüsselrolle im Krankheitsgeschehen von Porphyrie spielt. Die Studie wurde an der Harvard Medical School sowie an der Universität von Basel durchgeführt.
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Die Studie "Nutritional Regulation of Hepatic Heme Biosynthesis and Porphyria through PGC-1-alpha" wurde in der Zeitschrift "Cell" vom 26. August 2005 (Band 122, Seiten 505-515) veröffentlicht (DOI 10.1016/j.cell.2005.06.040).
->   Zur Studie
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Hunger löst Anfälle aus
Akute Krankheitsanfälle werden bei Porphyrie-Kranken durch Hunger ausgelöst. Kohlenhydratreiche Lebensmittel oder Glukose-Infusionen hingegen lindern die Beschwerden.

Bis zum Erscheinen der aktuellen Studie fehlte eine Erklärung für den Zusammenhang zwischen Ernährung und Auftreten von akuten Schüben.
Bei Hunger wird mehr PGC-1-alpha gebildet
Wie die Wissenschaftler herausfanden, fungiert in der Leber das Protein PGC-1-alpha wie ein Schalter, der mehrere Gene ein- und ausknipsen kann. Besonders viel von diesem Kontroll-Protein wird gebildet, wenn der Körper Hungersignale meldet.

Das Kontroll-Protein PGC-1-alpha reguliert u. a. welche Mengen vom Enzym ALAS-1 produziert werden. Schlechte Chancen hat ALAS-1 daher, wenn der Hunger ansteigt und dadurch die Produktion von PGC-1-alpha angeheizt wird. ALAS-1 ist durch die strikte Kontrolle kaum mehr aktiv.
Enzym-Mangel hemmt Produktion des Blutfarbstoffs
Bild: Cell
Der Mangel des kleinen Enzyms hat gewaltige Folgen für den gesamten Organismus: Eine Unterversorgung mit ALAS-1 löst eine Störung bei der Synthese des Blutfarbstoffs Hämoglobin aus.

Denn ALAS-1 ist eines von acht Enzymen, das dafür verantwortlich ist, dass aus Porphyrinen korrekte Häm-Einheiten gebildet werden.

Häm-Einheiten sind die eisenbindenden Anteile des Blutfarbstoffs Hämoglobin.
Zu viele Porphyrine im Körper machen krank
Das Resultat der gestörten Häm-Synthese bei Porphyrie-Kranken: Im Körper sammeln sich zu viele Porphyrine an. Die roten Blutkörperchen leiden unter einem Hämoglobin-Mangel.
Bisher: Abhilfe durch zuckerreiche Ernährung
Die Ergebnisse der Forschergruppe könnten dazu führen, gegen Porphyrie eine bessere Therapiemethoden zu finden. Bislang wird Porphyrie u.a. durch eine stark mit Kohlenhydraten und Zucker angereicherte Diät oder mit Häm- und Glukose-Infusionen behandelt. Ursache für die Erkrankung ist meist ein erblicher Gendefekt.
Vampir-Mythos durch Porphyrie?
Es gibt die Vermutung, dass Beobachtungen an Porphyrie-Kranken zur Erfindung der Vampirgeschichten geführt haben.

Porphyrie-Kranken wurde früher Tierblut verabreicht, denn dies linderte aufgrund seines Hämoglobingehalts die Symptome bei akuten Porphyrie-Schüben. Knoblauch hingegen fördert den Abbau des ohnehin nur in geringen Konzentrationen vorhandenen Hämoglobins.

Ein weiteres "Vampirmerkmal" der Porphyrie: Sie geht mit einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Sonnenlicht einher. Die Erkrankten sind oft sehr blass oder leiden unter Zahnfleischschwund, was die Zähne hervortreten oder sogar blutig aussehen lässt.
Eingesperrt im Windsor Palace
König Georg III. (1738-1820) war nicht nur König von Großbritannien, sondern auch Herzog von Braunschweig-Lüneburg sowie König von Hannover. Mit seiner Frau, Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, hatte er 15 Kinder. Unter seiner Herrschaft verlor Großbritannien im Unabhängigkeitskrieg die amerikanischen Kolonien.

König George III. erlitt während seiner Regentschaft mehrere lang anhaltende Krankheitsschübe während seiner Regentschaft. Von 1811 bis an sein Lebensende (1820) wurde König George III. im Windsor Palace eingesperrt. Er bekam arsenhaltige Medikamente verabreicht. Diese dürften die psychiatrischen Symptome verstärkt haben.
Zusätzlich Vergiftung mit Schwermetallen
Im vergangenen Juli wurden Untersuchungsergebnisse einer Haarlocke von Georg III. veröffentlicht. Die Analysen legen nahe, dass der Regent an einer Schwermetallvergiftung (Arsen, Quecksilber, Blei) litt.

[science.ORF.at, 26.8.05]
->   Dana-Farber Cancer Institute, Harvard Medical School
->   Biozentrum, Universität Basel
 
 
 
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01.01.2010