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Kohlmeise: Rote Flecken machen Eier stabil  
  Die roten Kleckse, Tupfen und Flecken auf der Schale von weißen Kohlmeisen-Eiern mögen wie ein Zufallsmuster aussehen. Britische Ornithologen haben jedoch herausgefunden, dass die Pigmente just an jenen Stellen aufgelagert sind, wo die Eierschale durch Kalziummangel besonders bruchgefährdet ist.  
Andrew Gosler und James Higham (Oxford University) sowie James Reynolds (University of Birmingham) untersuchten eine Kohlmeisenpopulation in "Wytham Woods", einem Naturschutzgebiet nahe Oxford. Die Kalziumverfügbarkeit im Boden variierte hier stark.

Die Forscher belegten, dass Vogelmütter, die in Gebieten mit wenig Kalzium lebten, Eier mit dünnerer Schale, aber stärkerer Pigmentierung produzierten.
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Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten Andrew Gosler, James Higham und James Reynolds in der Zeitschrift "Ecology Letters" (doi:10.1111/j.1461-0248.2005.00816.x).
->   Zur Studie
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Eier sind stabiler und reflektieren Wärme
Die halb-kristallinen Pigmente, so Gosler und Kollegen, machten die Eierschalen nicht nur stabiler, sondern seien auch ein Schutz gegen Überhitzung, denn sie reflektieren Infrarot-Strahlung.

Die Ornithologen beobachteten Anlagerungen vor allem am stumpfen Pol der Eier: Auf dieser Seite beginnen die Küken, nach außen durchzubrechen. Die Vermutung lautet, dass die Pigmente die Schale an der Außenseite stärken, die kalziumarme Innenseite aber durch den Einzahn der Schlüpflinge einfacher zu durchbrechen ist.
Doch keine Tarnfunktion?
Pigmenten auf der Eierschalen wird im Allgemeinen Tarnfunktion zugeschrieben: Striche, Punkte und Sprenkel sollen die Eier und Nester für die Augen von hungrigen Räubern oder frechen Brutparasiten (z. B. Kuckuck) unsichtbar machen.

Für Andrew Gosler und Kollegen sind dies aber keine befriedigenden Argumente. Die Färbung der Kohlmeiseneier habe keine Tarnfunktion, sondern sie sei vielmehr ein Hinweis auf den Ernährungszustand der Vogelmütter. Die Anlagerung von Pigmenten ist ein Trick, um die Kalziumknappheit zu kompensieren.

Im Gegensatz zu größeren Vögeln müssen Kohlmeisen täglich Kalzium mit der Nahrung aufnehmen und können dies nicht aus ihren Knochen "ziehen".
Pigmente sind Blutfarbstoffe
Die rot-braunen Pigmente auf den Meiseneiern sind chemisch gesehen Proto-Porphyrine. Sie kommen im Blut vor.

Die Ornithologen um Gosler vermuten, dass die Porphyrine über die gleichen Mechanismen in die Schale transportiert werden wie Kalziumionen.
Vielschichtige Kinderstube: das Vogelei
Vögel legen nur alle 24 Stunden ein Ei: Nach der Befruchtung wandert das Ei samt Dotterkugeln durch den Eileiter. Der Dotter ist der "Proviant" für den Vogelembryo.

Auf seiner Wanderung durch den Eileiter passiert das Ei mehrere Drüsen, die eine Vielzahl von Schichten anlagern: So etwa das Eiklar. Es wirkt als Flüssigkeitsspeicher, Stoßdämpfer und schützt vor Befall mit Mikroorganismen. Um das Eiklar liegt die Schalenmembran, auf der die eigentliche Schale aufsitzt.
Ein Schutzmantel aus Kalziumsalzen
In der "Kalkkammer" wird die Schale aus Kalzium- und Magnesiumsalzen auf das "weiche Ei" aufgelagert. Dieser Prozess dauert beim Haushuhn 17 Stunden lang. Die Grundfarbe der Schale (braun, weiß, grünlich) ist genetisch festgelegt.

Die Schale ist zwar stabil, hat aber tausende von Poren, damit das Küken Sauerstoff aufnehmen und Wasserdampf abgeben kann. Um genügend Kalzium für die Eiproduktion im Blut zu haben, fressen viele Vogelweibchen Muschel- und Schneckenschalen oder Knochen.

Im Endabschnitt des Eileiters wird die Eierschale bei vielen Sperlingsvogelarten noch mit Sprenkeln, Linien oder Tupfen aus Blut- oder Gallenfarbstoffen versehen - je nachdem ob sich das Ei während dieses Vorgangs dreht oder ruhig liegt.
Das Gelege der Kohlmeisen
Kohlmeisenweibchen beginnen im April mit dem Nestbau. Das Nest wird mit Moos und Haaren ausgepolstert.

Ein Ei wird pro Tag gelegt, bis das Gelege eine Größe bis zu zwölf Eiern erreicht hat. Die Bebrütung der rot gepunkteten Eier dauert 13 Tage.

Beide Elterntiere versorgen die Nestlinge mit Blattläusen, Raupen und Spinnen. Die Jungtiere werden nach etwa drei Wochen flügge.

[science.ORF.at, 29.8.05]
->   Edward Grey Institute of Field Ornithology, Oxford University
->   School of Biosciences, University of Birmingham
->   Naturschutzgebiet "Wytham Woods"
->   Birdlife Österreich
->   Tierenzyklopädie: Kohlmeise
Mehr dazu unter science.ORF.at:
->   Meisen übertönen Stadtlärm mit schrillem Gesang (17.7.2003)
->   Meisen warnen mit eigenem "Vokabular" (24.6.2001)
->   Explosionsforschung mit Eierschalen (25.6.2001)
 
 
 
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01.01.2010