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Alpbach: Experten für Zurückhaltung bei Nano-Hype  
  Nanotechnologie soll eine Reihe von Forschungsgebieten revolutionieren: von der Elektronik über die Mobilität bis zur Medizin. Dass der "Nano-Hype" in den vergangenen Jahren etwas übertrieben wurde, obwohl die meisten Anwendungen noch in einer fernen Zukunft liegen, stößt nun auf die Kritik der Nanotechnologen selbst.  
Im Rahmen des Forums Alpbach sprachen sich führende Experten deshalb für eine gewisse Zurückhaltung aus - auch auf den viel zitierten Quantencomputer würde man noch eine ganze Weile warten müssen.
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Technologiegespräche Alpbach
Bei den Technologiegesprächen des Forums Alpbach vergangene Woche widmete sich ein Arbeitskreis der "Nanotechnologie".
->   Forum Alpbach
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Beliebter Begriff für Forschungsanträge
"Es wird viel Missbrauch mit dem Begriff 'nano' betrieben", erklärte etwa Klaus von Klitzing, Nobelpreisträger und Direktor des Max-Planck Instituts für Festkörperforschung. Zur Zeit würden die Forscher eher gegen die inflationäre Verwendung des Begriffs kämpfen.

Friedrich B. Prinz von der Stanford Universität meinte, dass die Wissenschaftler selbst nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung seien.

Sie verwendeten den Begriff "nano" in ihren Forschungsanträgen nur zu gerne und verwiesen oft auf Anwendungen, die allesamt erst in der fernen Zukunft liegen.
Auch "politisches Schlagwort"
Eduard Arzt, Direktor des Max-Planck Institutes für Metallforschung, pflichtete ihm bei und betonte, dass es sich dabei vor allem um ein "politisches Schlagwort" handelte.

Er selbst habe es nur zögerlich angenommen, nämlich nachdem alle anderen Vortragenden an einem Kongress es auch in ihren Titeln verwendet hätten: "Die plakative Wirkung ist schon auch wichtig", so Arzt.

Trotz aller Selbstkritik der renommierten Forscher blieb in Alpbach auch genügend Zeit, um sich den Visionen der schönen neuen Nanowelt zu widmen.
Ergänzung der Mikroelektronik
Von Klitzing erklärte, dass im Nanometerbereich neue quantenmechanische Effekte auftauchen, wodurch sich vielfältige Möglichkeiten eröffneten. Die Nanoelektronik werde in Zukunft die Mikroelektronik zwar vorerst nicht ersetzen, wohl aber ergänzen.

Die auf der Mikroelektronik basierende Miniaturisierung von Computerchips werde jedenfalls an eine natürliche Grenze stoßen, wenn Quantenphänomene überhand nehmen.

Die Aussicht auf einen Quantencomputer bezeichnete er als "zu weit weg", gleichzeitig aber auch als "das Höchste der quantenmechanischen Anwendung".
Kalifornische Visionen für zukünftige Antriebsmotoren
Friedrich Prinz beschäftigt sich mit der Entwicklung einer neuen Generation von Antriebsmotoren. Bisherige Wasserstoff-Autos wie etwa jenes von Honda hätten den gravierenden Nachteil, dass sie einerseits zu teuer seien - rund eine Million Dollar koste ein solcher Wagen - und andererseits ein aufwändiges sowie schweres Kühlsystem benötigten.

Mit seiner "Solid Oxide Fuel Cell", die auf nanoskaligen Membranen basiert, will er einerseits die Kraftleistung des Wasserstoff-Motors verbessern und gleichzeitig niedrigere Betriebstemperaturen erreichen - das Unterfangen liegt jedoch noch in ferner Zukunft.

Geradezu fantastisch, mutet seine zweite Idee an: Prinz will aus lebenden Zellen Bioelektrizität gewinnen. Erste Versuche zeigten, dass der Elektronentransport in Zellen unterbrochen werden kann. Mit Nano-Elektroden soll diese Energiequelle der Zukunft angezapft werden.
Nachhaltige Mobilität als Ziel
Helmut List, CEO der AVL List GmbH, interessieren ebenfalls nanotechnologische Lösungen für den Automobilbereich. Er ist überzeugt, dass die Nanotechnologie in naher Zukunft bereits helfen wird, den Kraftstoffverbrauch, die Schadstoffemissionen und die Geräusche zu senken.

Als Beispiel nannte er die Entwicklung von neuen Oberflächenbeschichtungen, die Öl aufnehmen können, ohne es zu verdampfen.

Da rund ein Drittel der Partikelemissionen vom Ölverbrauch stammt, bestehe hier die Möglichkeit zur Reduzierung von Schadstoffen und damit zur Entwicklung von umweltfreundlicheren Motoren.
Magnet-Strukturen für Sensoren und Speichermedien
Hubert Brückl von ARC Seibersdorf hat sich auf magnetische Phänomene im Nano-Bereich spezialisiert.

Beispiele einer erfolgreichen Anwendung seien magnetische Speicherelemente (MRAM - magnetic random access memory), die es in wenigen Jahren von der Grundlagenforschung zur Anwendung in Alltagsprodukten geschafft hätten.

Ähnliche Erfolge erhofft sich Brückl von Sensoren, die auf magnetischen Nanostrukturen aufbauen. Hierzu gehören beispielsweise akustische Sensoren wie ein künstliches Ohr, Biochips für die medizinische Diagnostik oder - wiederum etwas futuristischer - "magnetische U-Boote, die in lebende Zellen eingebracht werden können".
Nanomechanische Effekte in der Biologie
Eduard Arzt erforscht die Mechanik in biologischen Systemen. Dafür arbeiten an seinem Max-Planck-Institut Physiker, Biologen und Chemiker zusammen. Sein Interesse gilt den Adhäsionskräften von verschiedenen Tieren wie Käfern, Fliegen, Spinnen und Geckos auf Oberflächen während ihrer Bewegung. Die Beine dieser Tiere gliedern sich in fein strukturierte Festmachorgane.

Deren Größe liegt im Mikro- und Submikrobereich, wobei mit zunehmendem Gewicht der Tiere die Nanostrukturen immer feiner werden. Das Kleben lässt sich mit van der Waals Kräften erklären, wobei diese beeindruckend sind:

Ein ein Tonnen schweres Auto ließe sich beispielsweise mit einem Seil (mit einer Kontaktfläche von einem Quadratzentimeter) an die Decke "kleben". Technische Kopien dieser biologischen Haftsysteme wären durchaus wünschenswert - auch weil sie völlig reversibel klebten, d.h. keine Klebespuren hinterließen.

Thomas Mündle, 30.8.05
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Thomas Mündle ist Teilnehmer des Universitätslehrgangs für Wissenschaftskommunikation "scimedia" und war Stipendiat der Technologiegespräche beim Forum Alpbach 2005.
->   scimedia
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->   Nobelpreisträger Klaus von Klitzing (nobelprize.org)
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01.01.2010