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Gesichtererkennung: Eine Neuronengruppe für jedes Geschlecht  
  Wahrgenommene Gesichter prägen sich ein: Jene mit ähnlichen Merkmalen wirken gleich viel normaler. Diese Bildspeicherung im Gehirn haben sich englische Forscher nun zu Nutze gemacht, um eine viel diskutierte These der Neurologie zu bestätigen: Ihnen zufolge werden die Gesichter von Frauen und Männern von zwei verschiedenen Gruppen von Nervenzellen verarbeitet.  
Es könnten sogar weitere wahrnehmungsspezifische Neuronengruppen bestehen, so für unterschiedliches Alter und unterschiedliche ethnische Abstammung, schreiben Anthony C. Little von der University of Liverpool und zwei Forscherkollegen.
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Der Artikel "Sex-contingent face after-effects suggest distinct neural populations code male and female faces" ist in der Zeitschrift "Procceedings of the Royal Society" (DOI:10.1098/rspb.2005.3220; Ausgabe vom 31.8.05) erschienen.
->   Abstract
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Visuelle Manipulation
 


Für ihre Studien manipulieren Wahrnehmungsforscher digital eine Reihe von Gesichtsbildern (s.o.). Die Veränderung dieser Bilder beeinflusst die Wahrnehmung des Betrachters insofern, als dass er oder sie "neue" Gesichter mit ähnlicher Verzerrung plötzlich als "normal" ansieht.

Nach Ansicht einiger Wissenschaftler gibt es sogar eine Korrelation zwischen empfundener Normalität und Attraktivität, soll heißen: Das verzerrte Gesicht wird auch gleich ein wenig attraktiver.

Eine Reihe von Studien belegt den Prozess des "visuellen Nachwirkens" beim Menschen: Ob bei Fragen der ethnischen Abstammung, des Geschlechts oder des Gesichtsausdrucks.
Forscher gespalten
Zwei unterschiedliche Annahmen erklären den Mechanismus dieser geschlechterspezifischen Erkennung von Gesichtern: Einige Forscher gehen davon aus, dass es nur eine Neuronengruppe im Gehirn gibt, die Gesichter von Männern und Frauen gleichzeitig erkennt.

Andere glauben, dass zwei unterschiedliche Gruppen von Nervenzellen dafür verantwortlich sind. Die grundsätzlich unterschiedlichen Strukturen des männlichen und weiblichen Gesichts würden dafür sprechen.
Hypothese: Zwei neuronale Regionen
Little und sein Team nahmen nun verschiedene digitale Veränderungen an Männer- und Frauengesichtern vor und testeten jeweils die visuellen Nachwirkungen bei Testpersonen.

Die Neuro-Forscher folgten der zweiten Hypothese: Falls verschiedene Nervengruppen im Gehirn Männer- und Frauengesichter verarbeiten, dann sollten Veränderungen an Frauengesichtern auch nur die anschließende Gesichtswahrnehmung von Frauen verändern - und umgekehrt.
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Beispiel
Ein Beispiel: Die Forscher zeigten ihren Probanden Bilder eines Männergesichts mit auffallend auseinander stehenden Augen sowie eng zusammen liegenden. Beim Betrachten von Folgebildern zeigte sich: Die auseinander stehenden Augen wurden als "normaler" angesehen, nachdem die Probanden das Bild mit den auseinander stehenden Augen beim Mann gesehen hatten und nicht, nachdem sie das Bild mit eng zusammen liegenden Augen betrachtet hatten. Diese Wahrnehmung bezog sich nur auf das gleiche Geschlecht.
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Gesichter im Test
Little veränderte bei den Bild-Gesichtern den Abstand der Augen, den Grad von Individualität (im Vergleich zu durchschnittlichen geschlechtsspezifischen Gesichtszügen) sowie Männlich- bzw. Weiblichkeit.

Visuelle Nachwirkungen traten da auf, wo das veränderte und das anschließend betrachtete Gesicht gleichen Geschlechts waren.

Diese Nachwirkungen wurden für eine Reihe von Gesichtstransformationen und Wahrnehmungen registriert.
Erster empirischer Beweis
Laut Little und seinem Team handelt es sich um den ersten empirischen Beweis, dass es unterschiedliche Nervengruppen für die geschlechtsspezifische Gesichtererkennung gibt.

Zudem stellen die Forscher auf Grundlage der Ergebnisse in Aussicht, dass dies auch für andere Eigenschaften gelten könnte wie für unterschiedliches Alter und ethnische Abstammung.

[science.ORF.at, 5.9.05]
->   School of Biological Sciences der University of Liverpool
->   School of Psychology der University of St Andrews
->   School of Psychology der University of Aberdeen
->   Face Research Lab
Mehr zum Thema bei science.ORF.at:
->   Forscher entdecken "Jennifer-Aniston-Neuron" (23.6.05)
->   Wie "visuelle Erwartungen" die Wahrnehmung beeinflussen (20.9.04)
 
 
 
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01.01.2010