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Die Zukunft der sozialen Sicherheit  
  Welche Sicherheiten bietet das österreichische Sozialsystem eigentlich noch? Tragen die klassischen Methoden der Sozialarbeit noch Früchte? Linzer und Innsbrucker Sozialwissenschaftler stellen sich in der "Langen Nacht der Forschung" diesen heiklen Fragen zur "sozialen Sicherheit".  
50 Jahre nach Beschluss des ASVG
Soziale Sicherheit in Österreich feiert Geburtstag: Am 9. September 1955 beschloss das Parlament das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz - kurz ASVG - und legte damit eine Meilenstein in der Sozialgesetzgebung der 2. Republik.

Heute, 50 Jahre später, sind die Prinzipien dieses Sozialsystem - Schutz vor Krankheit, Unfall, Alter und Arbeitslosigkeit sowie eine adäquate soziale Absicherung - längst nicht mehr so sicher. Worauf beruht soziale Sicherheit in Österreich? Funktioniert diese Art der Sozialpolitik überhaupt noch? Und wie viel trägt dazu soziale Arbeit bei?

Diese Fragen erörtern Soziologen und Sozialarbeiter in zwei Stationen in Linz und Innsbruck im Rahmen der "Langen Nacht der Forschung".
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Lange Nacht der Forschung
Die erste Lange Nacht der Forschung findet am 1. Oktober in Innsbruck, Linz und Wien statt. Die beschriebenen Stationen zur sozialen Sicherheit befinden sich an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Innsbruck und an der FH Linz.
->   Lange Nacht der Forschung
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Voraussetzungen für Sozialtransfer in Auflösung
Am Innsbrucker Institut für Soziologie erörtert der Soziologe Max Preglau die aktuelle Situation der sozialen Sicherheit in Österreich anhand der drei wesentlichen Säulen des Systems: der Sozialversicherung nach dem ASVG, dem "innerfamiliären Transfer" - beispielsweise Witwen- und Waisenpension - sowie dem "staatlichen Familientransfer" (u.a. Kindergeld) und der staatlichen Sozialhilfe.

"Das bestehende auf Umlageverfahren, Familientransfer und staatlicher Sozialhilfe beruhende System der sozialen Sicherheit ist mit kulturellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen wie einer 'Normalarbeit und -familie' sowie nationalstaatlicher Autonomie verbunden, die heute zunehmend in Auflösung begriffen sind", skizziert Preglau die derzeitige Situation der Sozialpolitik.
Abbau oder Umbau?
Der markante Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft - beispielsweise durch die Globalisierung und die Flexibilisierung der Erwerbsarbeit - fordert von den Verantwortlichen ein Umdenken.

In diesem veränderten Umfeld wird das bestehende System immer schwerer finanzierbar und immer lückenhafter. In dieser Situation stehe die Politik vor der Alternative, das Sozialsystem ab- oder umzubauen, so Preglau.
Grundsicherung unabhängig von Erwerbsarbeit
"Die meisten Verantwortungsträgern sind sich darüber im Klaren, dass man soziale Leistungen von der Erwerbsarbeit abkoppeln muss", führt der Soziologe aus.

"Man kann künftig nicht mehr nur auf die Lohnsumme als Grundlage für die Höhe sozialer Leistungen schauen, sondern muss auch andere Produktionsfaktoren wie Technik und Wissen als Kapitalsgröße zur Beitragsleistung heranziehen."

Preglau sieht die Chancen für eine Neuorientierung der sozialen Sicherheit unter anderem in der Einführung eines von der Erwerbsarbeit unabhängigen Systems der monetären und institutionellen Grundsicherung. Diese Grundsicherung sollte alle Wohnsitzbürger einschließen und nicht mehr nur auf Basis der Lohnsumme, sondern auf Basis der gesamten Wertschöpfung finanziert werden.
Zwei Finanzierungsmodelle
Bei der Frage, wie man dieses System finanziert, gehen die Meinungen der Verantwortungsträger ebenso wie der Bevölkerung aber auseinander. Wählt man das Solidaritätsmodell, bei dem alle Produktionsfaktoren und Einkommensquellen zum Sozialsystem beitragen und finanzstarke Mitbürger für die schwächere Bevölkerungsgruppe in die Pflicht genommen werden?

Oder finanziert man Sozialleistungen künftig über allgemeine Steuern - und bittet damit die "kleinen Leute" verstärkt zur Kasse? Außerdem stellt sich die Frage, ob Sozialleistungen zu Versicherungsleistungen für alle Bürger oder zu Fürsorgeleistungen für bittstellige Bedürftige werden.

In der "Langen Nacht der Forschung" wird Preglau die verschiedenen Modelle einer künftigen sozialen Sicherung gemeinsam mit den Besuchern der Station diskutieren.
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Buchtipp
"Sozialstaat am Ende?" von Max Preglau, in: Pelinka, Anton (Hrsg.): "Wie sozial kann unsere Welt sein?", ÖGB Verlag, 2005
->   Mehr über das Buch
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Soziale Arbeit im Fokus
Eine Linzer Forschungsgruppe beschäftigt sich mit einem anderen Teilbereich der sozialen Sicherheit in Österreich: mit sozialer Arbeit. In einer groß angelegten Feldstudie erforschten Experten der FH Linz zwei exemplarische Projekte des Magistrats Linz in den Stadtteilen Franckviertel und Solar City Pichling die Wurzeln und Entwicklungspotenziale der Gemeinwesenarbeit (GWA) in der oberösterreichischen Hauptstadt.

Die Ergebnisse des F&E-Projekts präsentiert das Team im Rahmen der "langen Nacht der Forschung" in Form eines Videos.
Gemeinwesenarbeit: Lebensqualität steigern
Gemeinwesenarbeit (GWA) ist neben sozialer Gruppenarbeit und Einzelfallhilfe eine der klassischen Methoden der Sozialen Arbeit. GWA macht ganze Nachbarschaften, Stadtteile und Gemeinden zum Ausgangspunkt sozialpädagogischer Intervention.

Bei Gemeinwesenarbeit versucht man, in Zusammenarbeit mit möglichst vielen Betroffenen aller Alterstufen die Lebensqualität - und damit auch die soziale Sicherheit - vor Ort zu steigern.

Probleme, die das Gemeinwesen beeinträchtigen, sollen konstruktiv und lösungsorientiert aufgegriffen und basisdemokratische Willensbildungsprozesse ermöglicht werden.
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Radio-Tipp: Lange Nacht der Forschung in Ö1
Radio Österreich 1 widmet dem Thema der "Langen Nacht der Forschung" Sicherheit zahlreiche Sendungen. Die Inhalte sind breit gestreut: Der "gläserne Bürger", dessen Spuren durch moderne Technologien überall verfolgt werden können, wird ebenso zum Thema gemacht wie der Versicherungsfall Naturkatastrophe u.v.a.
->   Mehr dazu in oe1.ORF.at
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Schwierige Vergleiche zwischen Städten
Die Resultate des Projekts zeigen, dass die Idee der Gemeinwesenarbeit im Prinzip fruchtet, einige Aspekte aber noch kaum bis gar nicht entwickelt sind - wie beispielsweise die Aktivierung von Bewohnern.

Die Recherchearbeiten im Rahmen des Forschungsprojektes machten deutlich, dass ein systematischer Vergleich zwischen der Gemeinwesenarbeit in Linz und anderen Städten wie beispielsweise Wien nur schwer möglich ist - es fehlen schlicht tragfähige statistische Daten.

Eva-Maria Gruber, 26.9.05
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Themenverwandtes in der "Langen Nacht der Forschung":
- Are you certain? Das fragen Sie eine Reihe von Wissenschaftlern der Uni Linz. Unter dem Motto "Lebensunsicherheiten" werden die Besucher in fünf Stationen (chemische Versuche, Körpersprache, Gentechnologie, Arbeitsplatzunsicherheit, Entscheidungskonflikte) dazu aufgefordert, althergebrachte Gewissheiten zu hinterfragen und neu zu überdenken.

- Was ist Frieden? Kultur- und Sozialwissenschaftler der Uni Innsbruck skizzieren in einer 35-minütigen Präsentation einen friedensorientierten Zugang zu den Themenbereichen Sicherheit und internationale Konflikttransformation.
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->   FH Linz
->   Solar City Pichling
->   Institut für Soziologie, Uni Innsbruck
science.ORF.at zur "Langen Nacht der Forschung":
->   Forschungsprogramm zum Schutz von Infrastrukturen (16.9.05)
->   Moderne Elektronik für mehr Verkehrssicherheit (21.9.05)
 
 
 
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01.01.2010