News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Deutsche "Trümmerfrauen" wählten konservativ  
  Das Wahlverhalten deutscher Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg war konservativer als das der Männer. Das belegt eine Studie der Universität Köln, die das politische Engagement Kölner Frauen analysierte.  
Die Historikerin Birte Griesse von der Universität Köln zeigte sich vom Ergebnis überrascht, schließlich hatten sich die von den Frauen mehrheitlich gewählten Parteien bis zuletzt gegen die Ausweitung des Wahlrechts auf die Staatsbürgerinnen gesperrt - eingeführt wurde das Frauenwahlrecht 1918 von den Männern der Sozialdemokratischen Partei Deutschland (SPD).

Sie vermutet, dass sich nach der extremen Belastung während des Krieges viele Frauen wieder nach ihrer traditionellen Rolle gesehnt haben.
Lieber soziales Engagement als politische Mitsprache
Die Kölner Frauen fühlten sich von jenen Bewegungen und Vereinigungen stärker angesprochen, die ihnen ein verstärktes Engagement im sozialen und karitativen Bereich nahe legten. Nicht so sehr identifizieren sie sich mit radikaleren Gruppierungen, die politisches Engagement und Gleichberechtigung für Frauen forderten.

Nur wenige wurden als aktives Mitglied einer Partei tätig und kandierten für die Wahl zum Stadtrat.
Frauen als Ernährerinnen der Familien
Den Grund dafür sieht die Historikerin in der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg: In Deutschland gab es einen großen "Frauenüberschuss" bzw. "Männermangel", daher erweiterte sich das Aufgabenspektrum der Frauen. Außer der Erziehung der Kinder und der Besorgung des Haushalts waren viele Frauen in diesen Jahren die Ernährerin der Familie.

Alle Frauen wurden wie die verbliebenen Männer zur Trümmerbeseitigung herangezogen und viele gingen zusätzlich einer ehedem "typisch männlichen" Erwerbsarbeit nach. Sehr viele waren bei der Aussicht froh, sich beizeiten aus der Doppel- und Dreifachbelastung der Monate und Jahre nach dem Krieg herausziehen zu können.
CDU konnte den Wunsch nach Rückzug ansprechen
Die Christlich-Demokratische Union (CDU) nutzte die gerade in Köln nachgewiesene weibliche Affinität zu konservativen Ideen und Parteien.

Das Programm der Partei erstrebte eine Wiederherstellung der christlichen Ordnung sowie eine von christlichen Werten geprägte Demokratie, in der die Geschlechter ihre klar umrissenen Plätze hatten, heißt es in einer Presseaussendung der Universität Köln.
...
Würdigung der Frauen für "klassische" Tätigkeiten
Die Frau erfüllte gemäß ihren geschlechtsspezifischen Anlagen eine nicht zu ersetzende Rolle im neu entstehenden Staat - in ihren "Spezialgebieten" Familie, Erziehung und Haushalt.

Indem sie die Frauen positiv würdigte, ihnen aber gleichzeitig Rückzug aus den enormen Belastungen der
->   CDU
...
Kritik der "Neuen Frauenbewegung"
Die "Neue Frauenbewegung" der 1970er Jahre kritisierte diese Entwicklung. Manche kamen zu Schluss, dass die Chancen der "Stunde Null", der "Stunde der Frauen", vertan worden seien, weil den weiblichen Vorstößen in so viele der "Männerdomänen" nach und nach wieder der Rückzug folgte.
Kritik an "Trümmerfrauen" geht an Lebenswirklichkeit vorbei
Birte Griesse verweist auf die existenzbedrohlichen Notzeiten, die viele Frauen vor unvorstellbare Anforderungen von mehreren Seiten stellten. Sie hält es deshalb nicht für überraschend, dass sich viele Kölnerinnen nach ihren traditionellen Aktionsbereichen und einer konservativ-christlichen Wertordnung sehnten.

" Den 'Trümmerfrauen' das als verpasste Chance anzukreiden, urteilt an der weiblichen Lebenswirklichkeit der Nachkriegszeit vorbei, meint sie.

[science.ORF.at/idw, 16.9.05]
->   SPD
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010