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Erstes Bose-Einstein-Kondensat in einem Festkörper  
  Das so genannte Bose-Einstein-Kondensat (BEC) gilt neben den drei klassischen Aggregatszuständen - fest, flüssig, gasförmig - und Plasma als fünfte eigenständige Erscheinungsform der Materie. Bisher hat man diesen bizarren Zustand nur mit Gasen erzeugt, einem internationalen Forscherteam gelang nun eine grundlegende Neuerung: Die Physiker stellten erstmals ein BEC in einem Festkörper her.  
Dieses Kunststück gelang einem Team um Teodora Radu vom Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden mit magnetischem Cäsium-Kupferchlorid.
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Die Studie "Bose-Einstein Condensation of Magnons in Cs2CuCl4" von T. Radu et al. erschien im Fachjournal "Physical Review Letters" (Band 95, 127202, doi:10.1103/PhysRevLett.95.127202).
->   Zum Abstract der Studie
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BEC-Meilensteine: 1934 und 1995
Die Bose-Einstein-Kondensation tritt bei Temperaturen knapp oberhalb des absoluten Temperaturnullpunkts auf. Das erste makroskopische Quantenphänomen, das als BEC interpretiert werden konnte, war im Jahr 1934 die Suprafluidität eines Heliumisotops.

Die erste Herstellung eines Bose-Einstein-Kondensats mit schwereren Atomen gelang erst 1995, für die der deutsche Physiker Wolfgang Ketterle zusammen mit zwei US-amerikanischen Kollegen 2001 den Physik-Nobelpreis erhielt. Voraussetzung dafür sind sehr tiefe Temperaturen und eine relativ geringe Anzahl Atome pro Kubikzentimeter (typischerweise 1014).
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Bose-Einstein-Kondensat (BEC)
Zur Herstellung von BEC kühlt man Atome (evtl. auch Moleküle) auf beinahe null Kelvin (minus 273,15 Grad Celsius) ab und erreicht, dass sie kurzzeitig ihre Eigenständigkeit aufgeben und sich alle wie ein einziges Superatom verhalten: Alle haben dann dieselben physikalischen Eigenschaften.

Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Teilchen Bosonen sind, also Teilchen mit ganzzahligem Spin. Formal ausgedrückt besagt das, dass die Wellenfunktionen von Bosonen bei extremer Kühlung zu einer einzigen, nämlich der des Superatoms verschmelzen. Somit werden, da die Wellenfunktion sämtliche physikalische Eigenschaften wie Ort und Geschwindigkeit beschreibt, die einzelnen Atome ununterscheidbar.
->   Fragen und Antworten zu BEC (Uni Freiburg)
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Wellen in Magneten als Teilchen
Nun ist es Dresdner Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe zum ersten Mal gelungen, ein BEC in einem Festkörper herzustellen.

Entscheidend für den Durchbruch der Dresdner Gruppe war die erfolgreiche Kombination von extrem tiefen Temperaturen und hohen Magnetfeldern. Hierbei kommt letzterem, das mehr als das hunderttausendfache der Stärke des Erdmagnetfeldes beträgt, besondere Bedeutung zu.

Es erlaubt, die Anzahl der kondensierten Teilchen exakt einzustellen. Das taten die Forscher in diesem Fall mit so genannten Magnonen. Letztere sind Spinwellen in magnetischen Substanzen, die - ähnlich wie Phononen bei Schall - auch als "Quanten" einer Welle aufgefasst werden können.
->   Magnons (University of Illinois)
"Fingerbabdruck" eines BEC gemessen
Bild: Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe
Untersucht wurden die magnetischen Eigenschaften von Cäsium-Kupferchlorid bis hinab zu etwa drei hundertstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt. Die Kupferatome sind in dieser Substanz magnetisch und bilden aufgrund ihrer räumlichen Anordnung im Festkörper Ebenen aus.

Die Messung der spezifischen Wärme bei abnehmender Temperatur, aber konstantem Magnetfeld (bis zu 12 Tesla), dass hier offenbar ein Phasenübergang vonstatten ging, der typisch für BECs ist. Die Experimente lieferten genau jene Werte, die bereits von Theoretikern vorausgesagt wurden.

Bild rechts: Ausrichtung der Spins (dargestellt als Pfeile) der Kupfer-Atome in der Ebene (a). Sobald ein Magnetfeld senkrecht zur Ebene angelegt wird, drehen sich die Spins in Richtung des Magnetfeldes (b). Oberhalb der kritischen Stärke des Magnetfeldes (Bc) sind alle Spins parallel zum äußeren Feld ausgerichtet (c).

[science.ORF.at/MPG, 23.9.05]
->   Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe
 
 
 
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01.01.2010