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Stress macht Männer und Frauen verschieden krank  
  Stress macht Menschen krank: Unter anderem kann er Entzündungsprozesse auslösen, die zu einem höheren Risiko von Herzkreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall führen. Frauen leiden dabei laut israelischen Forschern eher unter den Symptomen beruflicher Überlastung - Burn-out -, Männer eher unter Depressionen.  
Sharon Toker und Arie Shirom von der Tel Aviv University und vom Tel Aviv Sourasky Medical Center fanden bei Frauen mit Burnout und bei Männern mit Depressionen im Blut erhöhte Konzentrationen von zwei Entzündungsstoffen: Fibrinogen und C-reaktives Protein.

Der Anstieg der Biomarker im Blut von gestressten Menschen weist nicht nur auf Entzündungen, sondern auch auf ein höheres Risiko von Herzkreislauf-Erkrankungen sowie Schlaganfall hin.

Denn die durch den Stress ausgelösten entzündlichen Prozesse können Krankheiten wie Gefäßverengung auslösen oder vorantreiben. Doch Frauen und Männer zeigen unterschiedliche physiologische Reaktionen auf Burn-out und Depressionen.
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Die Studie wurde unter dem Titel "The Association Between Burnout, Depression, Anxiety, and Inflammation Biomarkers: C-Reactive Protein and Fibrinogen in Men and Women" im "Journal of Occupational Health Psychology" (Band 10, Nummer 4, DOI: 10.1037/1076-8998.10.4.1) veröffentlicht.
->   Journal of Occupational Health Psychology
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Blutproben von 1.563 Angestellten
Die Wissenschaftler untersuchten 630 Frauen und 933 Männer. Alle Probanden galten als "gesund" und waren angestellt. Die Frauen waren im Schnitt 44,8 Jahre alt und arbeiteten rund acht Stunden pro Tag; die Männer waren durchschnittlich 45,9 Jahre alt und arbeiteten etwa neuneinhalb Stunden täglich.

Die Wissenschaftler verglichen die Entzündungsmarker in den Blutproben mit Angaben über Burn-out, Depression und Angstzustände. Sie wollten herausfinden, welche körperlichen Probleme psychische Belastungen nach sich ziehen und ob Fibrinogen und CRP gute Anzeiger für gesundheitsschädigenden Stress sind.
Unterschiedliche Reaktion bei Frauen und Männern
Laut der aktuellen Studie geht bei Frauen Burn-out oftmals mit einer "Mikro-Entzündung" einher. D.h. die Betroffenen haben ein 1,6-fach erhöhtes Risiko, dass sich in ihrem Blut zuviel CRP und Fibrinogen befindet als bei Frauen, die nicht chronisch an Überlastung leiden. Bei Frauen mit Depressionen oder Angstzuständen waren die Werte nicht erhöht.

Männer hingegen hatten mehr als drei Mal so viele Entzündungsstoffe im Blut, wenn sie von einer Depression betroffen waren. Keine Auffälligkeiten im Blutbild zeigten sie bei Burn-out oder Angstzuständen.
Diabetes, Herzkrankheit oder Schlaganfall
Die Studienautoren schließen aus den Ergebnissen, dass überlastete Frauen und depressive Männer eher Krankheiten entwickeln, die auf Mikro-Entzündungen zurückgehen: z.B. Diabetes, Herzkrankheit oder Schlaganfall.

Die Ergebnisse der israelischen Forscher könnten eine Erklärung dafür sein, dass viele Patienten mit Schlaganfall oder Herzinfarkt keine der "klassischen" Risikofaktoren (z.B. Übergewicht, Rauchen, Bewegungsarmut) aufweisen.
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Fibrinogen und C-reaktive Proteine (CRP)
Beide Biomarker wurden bereits in zahlreichen medizinischen Studien als Anzeiger für kardiovaskuläre Erkrankungsrisiken (Schlaganfall, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) verwendet. Sie sind "konventionellen" Markern (Blutfette, Glukose) überlegen. Das Protein Fibrinogen wird in der Leber gebildet und ist für Blutgerinnung und Wundverschluss in Geweben und Blutgefäßen essentiell.

Auch CRP, ein Eiweißkomplex, wird in der Leber gebildet - die Konzentration von CRP steigt im Rahmen entzündlicher Erkrankungen, denn die sind essenziell für eine schlagkräftige Immunabwehr. Erhöhte CRP-Werte sind typisch für Übergewicht, Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, hohen Cholesterinwert und Bewegungsarmut.
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Beide Geschlechter leiden
Die Forscher um Sharon Toker betonen, dass Frauen und Männer zwar bei Burn-out und Depression unterschiedliche physiologische Reaktionen zeigen - und dies unterstreiche die Wichtigkeit von geschlechtsspezifischen Gesundheitsstudien.

Die gesundheitlichen Folgen seien im Grunde genommen jedoch für beide Geschlechter dieselben: Die Gefühlslage beeinflusst das Risiko, eine Herzkreislauf-Erkrankung zu entwickeln.

Die Studienautoren hoffen, dass die Ergebnisse Medizinern und Psychologen dabei helfen, besser geeignete und geschlechtsspezifische Strategien für das Stressmanagement am Arbeitsplatz zu entwickeln. So könnte jobbedingten Gesundheitsschäden vorgebeugt werden.

[science.ORF.at, 17.10.05]
->   Tel Aviv University
->   Burnout and Health Review (pdf-Datei)
->   Burnout (Wikipedia)
->   Depression - die unterschätzte Krankheit
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Studie: Unter Stress werden Chefs autoritärer (31.8.2005)
->   Stress lässt Zellen altern (30.11.2004)
->   Stress hemmt Kurzzeitgedächtnis (28.10.2004)
 
 
 
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01.01.2010