News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Technologie 
 
Weiße Biotechnologie: Von Jeans und Waschmitteln  
  Wie stark die Biotechnologie bereits in den Alltag eingedrungen ist, illustriert Thomas Mündle vom Verein dialog<>gentechnik am Beispiel ihrer "weißen" Anwendungen. In industriellen Produktionsprozessen spielen Enzyme und Mikroorganismen längst eine große Rolle.  
Die Illusion vom gentechnikfreien Österreich: Weiße Biotechnologie
Von Thomas Mündle

Oberösterreich ist kürzlich mit seinem Verbotsgesetz für gentechnisch veränderte Pflanzen vor dem europäischen Gerichtshof gescheitert. Nun wird an einem restriktiven Vorsorgegesetz gearbeitet.

Nur: Ein Gentech-freies Österreich ist eine Illusion. Gentechnische Methoden werden längst routinemäßig bei industriellen Prozessen eingesetzt. Das Ergebnis sind Produkte der so genannten weißen Biotechnologie, mit denen praktisch jede/r Österreicher/in im Alltag konfrontiert ist.
Von Jeans und Waschmitteln
Charakteristisch für die weiße Biotechnologie ist der Einsatz von Mikroorganismen und Enzymen für industrielle Prozesse. Der "Stonewashed-Effekt" von Jeans wird heute etwa mit Enzymen erzielt. Enzyme helfen Papier schonend zu bleichen und Bakterien reinigen kontaminierte Böden.

Inhaltsstoffe von Waschmitteln, Bioplastik und pharmazeutische (Zwischen-)Produkte - die Anwendungen der weißen Biotechnologie sind vielfältig. Dabei gibt es oft entscheidende Vorteile gegenüber den traditionellen chemischen Verfahren: Es lassen sich Geld und Ressourcen (vor allem giftige Chemikalien) sparen. Die Technologie ist - wie diverse Fallstudien zeigen - ganz im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens.
Keine Freisetzung veränderter Mikroorganismen
In der weißen Biotechnologie wird vielfach auch mit gentechnischen Methoden gearbeitet. Denn auf diese Weise kann die Produktionsrate der Mikroorganismen gezielt gesteigert werden.

Im Gegensatz zu gentechnisch veränderten Pflanzen gelangen die gentechnisch veränderten Mikroorganismen aber nicht in die Umwelt. Sie werden in geschlossenen Behältern - so genannten Bioreaktoren - gehalten.
Keine Kennzeichnung mancher Lebensmittelzusatzstoffe
Auch viele Lebensmittelzusatzstoffe werden heute mit Bakterien hergestellt. Für die effiziente Produktion des Geschmacksverstärkers Natriumglutamat wird wahrscheinlich eine gentechnisch veränderte Variante eingesetzt.

Lebensmittelzusatzstoffe sind nicht kennzeichnungspflichtig, wenn sie aufgereinigt werden und keine GV-Mikroorganismen mehr enthalten. Laut gängiger Expertenmeinung sind von ihnen keine gesundheitlichen Gefahren zu erwarten.

Aufgrund der fehlenden Kennzeichnung bleibt der Konsument allerdings über die genaue Herkunft dieser Zusatzstoffe im Dunkeln.
...
McKinsey: Wachsender Markt
Eine von McKinsey durchgeführte Studie zur weißen Biotechnologie kommt zum Schluss, dass in diesem Bereich ein enormes Wachstumspotenzial existiert. Zurzeit machen biologische Prozesse rund fünf Prozent der gesamten Produktionsprozesse aus.

Bis 2010 sollen es zehn Prozent bis 20 Prozent sein. Heute ist das ein 50 Milliarden Dollar Markt. Bis Ende dieses Jahrzehnts soll er um mehr als das Dreifache wachsen.
->   Zur Studie
...
Österreich mit guter Startposition
Japan hat eine Jahrtausende alte Fermentationskultur und hat dementsprechend viel Know-How, was den Umgang mit Mikroorganismen betrifft. Amerika ist führend im Auffinden neuer Mikroorganismen.

Aber auch Europa steht gut da. So haben sich mehrere wissenschaftliche Cluster gebildet - unter anderem einer in Österreich. Helmut Schwab vom Kompetenzzentrum für Biokatalyse in Graz beurteilt deshalb die Ausgangslage von Österreich als gut, auch weil es österreichische Firmen mit Tradition auf diesem Gebiet in Österreich gibt.
...
Zwei erfolgreiche Beispiele
Das Unternehmen Jungbunzlauer AG etwa ist Weltproduzent von Zitronensäure, die traditionell aus dem Bakterium Aspergillus Niger gewonnen wird.

Und das Pharmaunternehmen Novartis in Kundl produziert Antibiotika, die ebenfalls mit Hilfe von Mikroorganismen gewonnen werden.
->   Interview mit Helmut Schwab
...
Gentechnik unaufhaltsam?
Viele Menschen fürchten, dass durch die unkontrollierte Verwendung der grünen Biotechnologie negative Auswirkungen für unser Ökosystem entstehen könnten. Diese Bedenken müssen ernst genommen werden.

Die Beispiele aus der weißen Biotechnologie zeigen aber, dass nicht generell gegen die Gentechnik als solche polemisiert und ungerechtfertigte Ängste in der Bevölkerung geschürt werden müssen.

[28.11.05]
...
Der Autor Thomas Mündle absolviert derzeit einen Lehrgang für Wissenschafts-kommunikation an der Universität Wien und hat diesen Beitrag im Rahmen eines Praktikums beim Verein dialog<>gentechnik recherchiert und verfasst.
->   Zum dialog<>gentechnik
...
->   Beispiele weiße Biotechnologie (Gesellschaft der Bioindustrien)
->   Positionspapier (Deutsche Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie)
Mehr zum Thema "Weiße Biotechnologie" in science.ORF.at:
->   Oft versteckt: Wissenschaft in Konsumgütern
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Technologie 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010