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Schlaftrunkene verwirrt wie Betrunkene  
  Nach Schlafentzug oder in betrunkenem Zustand fällt das Denken nicht besonders leicht, sagt die Erfahrung. Doch nach einer gesunden Portion Schlaf ist es genauso schwierig - auf jeden Fall in den ersten Minuten nach dem Aufwachen, ergab eine Studie von US-Forschern.  
Der Schlafforscher Kenneth P. Wright der University of Colorado und sein Team wiesen nach, dass die Reaktionsfähigkeit und geistige Leistung von Schlaftrunkenen erheblich eingeschränkt sind.

Das sei in manchen Berufen besonders problematisch, so etwa für Ärzte und Feuerwehrmänner, die nach einem abruptem Weckruf demnach nicht sehr "wache" Entscheidungen treffen könnten.
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Der Artikel "Effects of Sleep Inertia on Cognition" erschien in der Fachzeitschrift "Journal of the American Medical Association" (Bd. 295, S. 163, 11. Jänner 2006).
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Kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt
Laut der Studie waren die kognitiven Fähigkeiten der neun Probanden - alle gesund, weder an Schlafstörungen leidend, noch unter Alkohol-, Nikotin- und Koffeineinfluss stehend - in der Aufwachphase erheblich beeinträchtigt.

Gemessen wurde die Beeinträchtigung mit Hilfe eines Rechentests - relativ einfachen Additionsaufgaben von zwei Zahlen. Unter dem Einfluss von Schlaftrunkenheit fiel dieser entsprechend schlecht aus.

Das lag allerdings nicht an Übermüdung oder mangelhaftem Rechentraining: Alle Probanden hatten bereits im Vorfeld regelmäßig acht Stunden geschlafen sowie tagsüber einige Stunden gerechnet.
Effekt bis zu zwei Stunden
Innerhalb der ersten drei Minuten nach dem Aufwachen wiesen Wright und sein Team die schwerwiegendsten geistigen Mängel nach. Nach zehn Minuten verschwanden im Allgemeinen die gröbsten Beeinträchtigungen, wenn auch noch bis zu zwei Stunden später Nachwirkungen zu erkennen waren.

"Zum ersten Mal wurden damit die geistigen Effekte in der Aufwachphase quantifiziert", sagt Wright. Die kognitiven Fähigkeiten der Testpersonen seien schlimmer gewesen als nach extremen Schlafentzug.

Für eine kurze Zeit sei dieser Zustand sogar mit der geistigen Verfassung von Alkoholisierten vergleichbar gewesen. Es heißt also nicht zu Unrecht "Schlaftrunkenheit".
Präfontaler Cortex kommt nur langsam in Gang
Frühere Schlaf-Studien von Thomas Balkin der Walter Reed Army Institute of Research in Washington zeigten bereits, dass die Gehirnrinde nach dem Schlaf länger bräuchten, um wieder "einsatzbereit" zu sein, als andere Bereiche.

Betroffen davon ist etwa der so genannte präfrontale Cortex, der unter anderem für Problemlsöungen sowie motorische und emotionale Reaktionen verantwortlich ist.
Gefährlich für Ärzte und Feuerwehrmänner
Wright weist darauf hin, dass die Ergebnisse für bestimmte Berufsgruppen wie etwa Ärzte, Notfallhelfer und Feuerwehrmänner besonders wichtig seien. Diese Personen würden oftmals abrupt aus dem Schlaf gerissen und müssten ad hoc wichtige Entscheidungen treffen.

Allerdings bräuchte es noch weitere Studien, um die Beeinträchtigung von abrufbereiten, müden Personen bei bloßer Schlafunterbrechung oder kurzem Erholungsschlaf zu erheben.

Neil Stanley von der Britischen Schlafgesellschaft kommentierte die Ergebnisse gegenüber BBC: "Niemand sollte in den ersten 15 bis 30 Minuten nach dem Aufwachen etwas Wichtiges tun."

[science.ORF.at, 11.1.06]
->   Department of Integrative Physiology, University of Colorado
->   British Sleep Society
->   BBC
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01.01.2010