News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima .  Leben 
 
Wasserstoffanbau: Grünalgen als Energiequelle  
  Weltweit werden Bemühungen intensiver, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Wasserstoff bietet eine umweltfreundliche Alternative. Eine Möglichkeit zur Produktion sind so genannte Wasserstoff-Farmen, bei denen Grünalgen als Wasserstofferzeuger dienen sollen. Die Anstrengungen in diesem Bereich zeigen Fortschritte, sehen sich aber weiterhin vielen ungelösten Problemen gegenüber.  
Das Fachjournal "New Scientist" hat die Energie-Bauern von morgen besucht und deren großen Pläne für Grünalgen näher beleuchtet.
...
Der Artikel "Growing hydrogen for the cars of tomorrow" ist im Fachmagazin "New Scientist" erschienen (25.02.06, Bd. 2540, Seite 37-39)
->   Zum Artikel (Registrierung erforderlich)
...
Zu wenig, zu teuer
Autos, die mit Wasserstoff fahren, gibt es ja bereits. Doch allzu verbreitet sind sie nicht, da es an der Bereitstellung des Treibstoffes mangelt, sowie an der Bereitschaft, diesen auch zu bezahlen.

Tasios Melis von der University of California in Berkley hingegen denkt bereits weiter und meint gegenüber dem Fachmagazin New Scientist: "Um den Benzinverbrauch in den USA abzulösen, bräuchte man Wasserstoff-Farmen über Flächen im Ausmaß von 25.000 Quadratkilometern."

Zum Vergleich: Diese Fläche wäre ein Zehntel davon, was die USA derzeit dem Sojaanbau widmet.
Mangelhafte Umsetzung der Sonnenenergie
Die Idee dahinter ist relativ simpel: Man nehme ein transparentes Röhrchen Wasser, setze die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii ein und platziere das Ganze in der Sonne.
Algen produzieren Wasserstoff als Nebenprodukt ihrer Photosynthese. Alles was jetzt noch fehlt, ist ein System, mit welchem der Wasserstoff gesammelt werden kann.

Noch sind so genannte Wasserstoff-Farmen Zukunftsmusik, Prototypen existieren erst vereinzelt in Labors. Auf kommerziellen Wasserstoff-Farmen müsste die Energie des Sonnenlichts zumindest zu zehn Prozent umgesetzt werden. Derzeit schaffen die Algenkulturen lediglich 0,1 Prozent.
Breit angelegte Anstrengungen
Um dies zu ändern, wird derzeit auf unterschiedlichen Gebieten geforscht: Mit Hilfe der Gentechnik soll der Wasserstoff-Output von C. reinhardtii deutlich erhöht werden. Biologen versuchen den Untergrund zu manipulieren, auf dem die Algen wachsen.

Das US-Ministerium für Energie (DOE) investiert jährlich mehrere Millionen Dollar, um die Realisierbarkeit der Technologie auszuforschen.
->   Hydrogen Program des US-Department of Energy (DOE)
...
Photosynthese
Die Photosynthese lässt sich in zwei Teile gliedern: Licht- und Dunkelreaktion.

In der ersten Phase wird, wie der Name schon sagt, Sonnenlicht benötigt. Mit Hilfe der dabei gewonnenen Energie spaltet die Pflanze Wasser in Sauerstoff, Protonen und Elektronen.

Die geladenen Teilchen bilden energiegeladene Moleküle (ATP oder Adenosintriphosphat) für einen zweiten Prozess: Die Dunkelreaktion (auch Calvin-Zyklus), bei der Kohlendioxid und Wasser in Zucker verwandelt werden. Diese wiederum dienen der Pflanze als Nährstoffe.
->   Photosynthese (Wikipedia)
...
Sauerstoff hemmt Wasserstoffproduktion
Obwohl nur die erste Reaktion der Photosynthese Licht erfordert, werden beide Prozesse bei Nacht eingestellt. Bei Sonnenaufgang startet die Lichtreaktion und produziert reaktive Elektronen, die von dem noch "schlafenden" Calvin-Zyklus unverarbeitet bleiben.

Um das System intakt zu halten, werden die überschüssigen Elektronen mit Hilfe eines Enzyms, der Hydrogenase, an Protonen gebunden und bilden so Wasserstoffmoleküle.

Das Hydrogenase-Enzym jedoch wird durch Sauerstoff gehemmt. Wenn also nun bei der Lichtreaktion Wasser gespalten wird, wobei Sauerstoff entsteht, läuft der normale Calvin-Zyklus wieder an und die Pflanze produziert wieder Zucker.
Alge auf "Schwefeldiät"
Wissenschaftler nahmen an, dass die Herabsetzung des Sulfatgehalts in den Algen ihren Stoffwechsel deutlich herabsetzen würde. Und tatsächlich wurde dieser um 90 Prozent langsamer, gleichzeitig fiel das Sauerstoffniveau so tief, dass die Hydrogenase weiterarbeiten konnte und Wasserstoff produzierte - anstatt dass Zucker entstand.

Jedoch führte die Manipulation auch dazu, dass die Pflanze erkrankte und nach einer Woche hungernd verstarb.
Sauerstoffempfindliche Hydrogenase
Mike Seibert vom National Renewable Energy Laboratory in Colorado hat gemeinsam mit Melis auf diesem Gebiet geforscht: "Wenn wir die Sonnenenergie gänzlich nutzen wollen, müssen wir das Kernproblem lösen: die Empfindlichkeit der Hydrogenase gegenüber Sauerstoff", meint er im Fachjournal "New Scientist".

Aus diesem Grund extrahierte Seibert ein verwandtes Hydrogenase-Enzym aus dem Bakterium Clostridium pasteurrianum. Mittels Computersimulationen wurde das Verhalten des Enzyms untersucht.

Dabei fand das Team heraus, dass Sauerstoff auf zwei ganz bestimmten Wegen in das Enzym hineingelangt, der hinaus diffundierende Wasserstoff aber viele verschiedene Wege benutzt.
Mutiertes Enzym: Blockiert Sauerstoffaufnahme
Daraus schlussfolgerten die Forscher, dass es möglich sein muss, das Enzym so zu verändern, dass es keinen Sauerstoff aufnimmt und somit weiterhin Wasserstoff produziert. Auch dieses Vorhaben gelang.

Ausständig ist die erfolgreiche Übertragung dieses Vorgangs auf die Grünalge C. reinhardtii, und alternativ das Austauschen des Algenenzyms mit dem des Bakteriums.
Mutation bringt neue Probleme
Doch mit der Lösung eines Problems tritt wiederum ein neues auf: Wenn die Alge mehr Wasserstoff als Zucker produziert, sammeln sich Protonen um den Photosyntheseapparat an und bilden so ein elektrostatisches Feld.

Dieses wiederum hemmt die Abspaltung von Elektronen aus dem Wasser und führt schließlich zu einer verminderten Wasserstoffproduktion.

Forscher vom Oak Ridge National Laboratory in Tennessee haben neuartige Proteine entwickelt, welche die überschüssigen Protonen vom Photosyntheseapparat fernhalten sollen. Die dafür zuständigen Gene wurden der Grünalge eingeimpft und befinden sich laut "New Scientist" im Testlauf.
Noch viele Lösungen ausständig
Sollte Seiberts Wasserstoff unempfindliche Hydrogenase sich als erfolgreich erweisen, würde die Alge Wasserstoff wie Sauerstoff freisetzen. Auf den Wasserstoff Farmen bräuchte es dann Systeme, welche diese zwei Gase voneinander trennen.

Und schließlich müsste, um eine Wasserstoff-Farm effizient zu betreiben, abgesichert werden, dass nicht nur die Algen an der Oberfläche, sondern auch die tief liegenden vom Sonnenlicht erreicht werden.
Konkurrenz- und Preiskampf
Große Herausforderungen also, denen sich die Wissenschaft gegenüber sieht.
Auch gilt es sich gegen andere Methoden der Wasserstoffgewinnung durchzusetzen.

Laut Kalkulationen des DOE sollte ein Kilogramm Wasserstoff bis 2015 nicht mehr als drei US-Dollar kosten, wie "New Scientist" schreibt. Nur so könnte es sich realistischerweise gegen den herkömmlichen Treibstoff durchsetzen.

Die Wissenschaftler sind positiv gestimmt: Melis glaubt aufgrund des derzeitigen Wissenstands an eine gute Chance, dass die Kosten für "angebauten" Wasserstoff bei etwa 1,40 Dollar pro Kilo liegen könnten.

[science.ORF.at, 27.2.06]
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Energiequelle: Gentech-Alge produziert Wasserstoff (5.9.05)
->   Erstes Wasserstoff-Forschungszentrum in Österreich (11.3.05)
->   Genfer Forscher entdeckten Wasserstoffspeicher (26.4.05)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010