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Budget 2006: Brisante Wochen für die Akademie  
  Die Österreichische Akademie der Wissenschaften befindet sich in einer Zwangslage, wie sie der Gelehrtenolymp noch nie zuvor in seiner 160-jährigen Geschichte erlebt hat: Verweigert die Gelehrtenversammlung als das höchste Gremium am 24. März die Zustimmung zu einer tief greifenden Reform, droht der Akademie der Verlust von einem Viertel ihres Jahresbudgets für 2006 - berichtet Oliver Lehmann in der aktuellen März-Ausgabe des Universum Magazins, wo die Langfassung dieses Textes publiziert ist.  
Über dem barocken Dach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) vis-a-vis von der Jesuitenkirche im Zentrum Wiens ziehen sich die mächtigen Wolken eines Wintergewitters zusammen: Wenn die Reform nicht beschlossen wird, hat dies weit reichende Konsequenzen für fast 1.000 Wissenschaftler in 65 Forschungsinstituten.

Was der Budget-Verlust heißt, fasst der Historiker Walter Pohl, Wittgensteinpreisträger 2004 und Leiter der ÖAW-Forschungsstelle für Geschichte des Mittelalters, zusammen: "Das wäre katastrophal."
FTE-Rat macht Zahlungen von Reform abhängig
Verantwortlich für die Erregung ist ein Beschluss des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (kurz FTE-Rat).

Dieser hat unter der Führung von Böhler-Uddeholm-Vorstand Knut Consemüller und dem Professor für Analytische Chemie der Universität Innsbruck, Günther Bonn, im Herbst 2005 beschlossen, die Auszahlung des ÖAW-Budgets für 2006 auf 20 Prozent zu begrenzen und die Anweisung der restlichen 80 Prozent von einer tief greifenden Reform abhängig zu machen.
Möglicher Verlust von 18 Millionen Euro
Die Tragweite der Entscheidung. machen die Zahlen deutlich: 22,7 Millionen Euro hatte die ÖAW aus FTE-Mitteln für 2006 erwartet.

Werden die 80 Prozent wie angedroht nicht ausgezahlt, fehlen der Akademie satte 18,16 Millionen Euro, was 24,2 Prozent des prognostizierten Gesamtbudgets von 75 Millionen Euro entspricht.

Der Vize-Chef des FTE-Rats, Günther Bonn, kalmiert: "Wir wollen nichts zerstören, aber den Apparat in Bewegung bringen." Walter Pohl ist dennoch entsetzt: "Schon die Drohung mit dem Budget halte ich für sehr unangebracht. Forschungsinstitute kann man nicht ab- und anknipsen wie ein Fernsehgerät."
Reformkommission setzt auf Professionalisierung
Doch selbst unbeteiligten Beobachtern stellt sich die Frage, inwiefern die im 19. Jahrhundert fußende Struktur der Akademie noch für das Management von Forschungseinrichtungen im 21. Jahrhundert taugt.

Dementsprechend formuliert Heinz Engl, Professor für Industriemathematik an der Johannes-Kepler-Universität in Linz und Direktor des Johann Radon Institute for Computational and Applied Mathematics, als Mitglied der vom Akademiepräsidium im Dezember eingesetzten Reformkommission den ersten Schritt: "Die Professionalisierung der Akademie als Forschungsträgerorganisation."

Derzeit beschäftigt die ÖAW 92 Personen in der Verwaltung und 923 Menschen in einer der derzeit 65 Forschungseinrichtungen. Drei davon sind als GmbHs organisiert. Günther Bonn, unverblümt: "Die Institution der Akademie ist nicht dazu geschaffen, moderne Unternehmen zu führen."
Probleme mit Frauen und der Jugend
Alles andere als modern ist auch der Frauenanteil: Unter den insgesamt 166 so genannten "wirklichen" Mitgliedern sind nur sechs Frauen.

Der Durchbruch durch die gläserne Decke der Geschlechterspezifik ist übrigens nicht Teil der Arbeit der Reformkommission, die bessere Integration von jüngeren Wissenschaftlern - ein Stichwort lautet "Junge Akademie" - hingegen schon, wobei eine Senkung des Altersdurchschnitts zumindest die Möglichkeit eines höheren Frauenanteils in Aussicht stellt.

Ob sich diese zum Beispiel aus den START-Preisträgern zusammengesetzte "Junge Akademie" realisieren lässt, ist fraglich. Akademiemitglied Renee Schroeder: "Viele Mitglieder scheinen dagegen zu sein, dass es diese eigene Klasse gibt."
Gelehrtengesellschaft beschließt über Reformvorschläge
Präsident Mang: "Jetzt geht es darum, der einmal im Monat tagenden Gelehrtengesellschaft, die nach derzeitiger Geschäftsordnung nur ihr vorbehaltenen Letztentscheidungen zu erleichtern."

An diesem obersten Gremium liegt es auch, am 24. März die Vorschläge der Reformkommission abzusegnen. Mang: "Die Annahme der Vorschläge beziehungsweise deren Modifikation durch die Gelehrtenversammlung ist abzuwarten."
Letzte Zustimmung vom FTE-Rat ist offen
Ob aber der Entwurf am 4. April bei der Vorstellung des Konzepts vor dem FTE-Rat auf Zustimmung stoßen wird, ist offen. Falls dem so ist, drängt Günther Bonn darauf, die Maßnahmen noch 2006 umzusetzen.

Mang ist da vorsichtiger: "Die Akademie wird in kurzer Zeit keine Totalreform über die Bühne bringen können. Der Feinschliff wird mehr Zeit in Anspruch nehmen." Bonn unmissverständlich: "Wenn das nicht ernst genommen wird, muss man 2007 wieder solche Budgetmaßnahmen treffen."

Oliver Lehmann, 1.3.06
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01.01.2010