News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Habermas erhielt Kreisky-Preis für Lebenswerk  
  Der deutsche Philosoph und Sozialwissenschaftler Jürgen Habermas (76) wurde mit dem Bruno-Kreisky-Preis ausgezeichnet - für sein "literarisches und publizistisches Gesamtwerk".  
Die mit 7.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde Habermas im Großen Festsaal der Universität Wien im Beisein von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, dem SP-Europaabgeordneten Hannes Swoboda und Karl A. Duffek, Direktor des Renner-Instituts, überreicht. In seiner Dankesrede hielt Habermas ein flammendes Plädoyer für ein starkes und geeintes Europa.
"Der Intellektuelle muss sich aufregen können"
Habermas nannte Karl Renner und Bruno Kreisky in seiner Dankesrede intellektuelle Anreger und stattete dem Austromarxismus für entscheidende Denkanstöße seinen Dank ab.

Er sprach über die Stellung des Intellektuellen in einer ausgeweiteten Medienöffentlichkeit durch Fernsehen und Internet und sah dessen Rolle vorwiegend im "avantgardistischen Spürsinn für Relevanzen". Habermas: "Der Intellektuelle muss sich aufregen können - und soll doch soviel politische Urteilskraft haben, dass er nicht überreagiert."
EU: "Gestaltungskraft statt Freihandelszone"
Was ihn heute am meisten aufrege, sei die Zukunft Europas, meinte der Philosoph. Er forderte eine Rückgewinnung der politischen Gestaltungskraft der EU, da diese ansonsten in eine diffus erweiterte Freihandelszone abgleite.

In Österreich, dem derzeitigen Vorsitzland der EU, trat er für eine Reform ein, die der Union "einen eigenen Außenminister, einen direkt gewählten Präsidenten und eine eigene Finanzbasis" verschaffe. Politische Handlungsfähigkeit nach innen und außen würden sowohl der EU als auch der UNO und der gesamten Weltlage zugute kommen, sagte Habermas.
"Abschied vom Modell des Geleitzuges"
"Diese Forderungen könnten der Gegenstand eines Referendums sein, das sich mit der nächsten Wahl zum europäischen Parlament verbinden lässt", sagte Habermas, der dabei eine "doppelte Mehrheit" der Staaten und der Stimmen der Bürger vorschlug:

"Das Referendum würde nur die Mitgliedstaaten binden, innerhalb deren sich jeweils eine Mehrheit der Bürger für die Reform entschieden hat. Europa würde sich damit vom Modell des Geleitzuges verabschieden, worin der Langsamste das Tempo angibt. Auch in einem Europa von Kern und Peripherie würden natürlich die Länder, die es vorziehen, einstweilen am Rande zu bleiben, die Option behalten, sich jederzeit dem Zentrum anzuschließen."
Auch Historiker Rathkolb ausgezeichnet
Noch vor der Überreichung des Kreisky-Preises hatte der Philosoph gemeinsam mit Gusenbauer und Swoboda zu den "Perspektiven Europas" Stellung genommen. Der Preis selbst wird seit 1993 jährlich für große Leistungen im Bereich der politischen Literatur vergeben.

Neben Habermas war bereits am 23. Jänner der Zeithistoriker Oliver Rathkolb (50) mit einem Hauptpreis für sein Buch "Die paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2005" ausgezeichnet worden.

[science.ORF.at/APA, 9.3.06]
->   Jürgen Habermas - Wikipedia
->   Mehr zu Jürgen Habermas im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010