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60 Jahre Österreichische Hochschülerschaft  
  Etwas später als die Republik feiert auch die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) ein 60-Jahr-Jubiläum: Im Jahr 1946 fanden die ersten ÖH-Wahlen statt, was im Sommersemester bejubelt wird.  
Zwar konstituierte sich schon im April 1945 an der Uni Wien ein so genannter "Sechserausschuss", der die Leitung einer provisorischen studentischen Selbstverwaltung übernahm, und später zum "Zehnerausschuss" und "Hauptausschuss der Demokratischen Studentenschaft" wurde. Doch die ersten ÖH-Wahlen fanden erst 1946 statt.

Aus diesem Grund organisiert die ÖH im Sommersemester 2006 zahlreiche Veranstaltungen.
In Hochschulgesetz 1945 formal geregelt
Das Hochschulgesetz, in dem die künftige studentische Selbstverwaltung zumindest formal geregelt war, wurde am 3. September 1945 erlassen. Damit wurden sämtliche bis dahin bestehenden Organe abgeschafft und in die neu geschaffene Körperschaft öffentlichen Rechts "Österreichische Hochschülerschaft" überführt.

Als Interimslösung bis zu den ersten Wahlen wurde von den drei zugelassenen Fraktionen Freie Österreichische Studentenschaft (FÖST/konservativ), Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ/sozialdemokratisch) und Kommunisten der parteilose Rudolf Wengraf zum provisorischen Vorsitzenden bestellt. Im Jänner 1946 wurde er von Karl Leutgeb (FÖST) abgelöst.
1946: Union Österreichischer Akademiker gegründet
Zu den FÖST-Aktivisten der ersten Stunde gehörten unter anderem der spätere Wissenschaftsminister Hans Tuppy und die Historikerin Erika Weinzierl, im VSStÖ engagierten sich etwa der Biochemiker Otto Hoffmann-Ostenhof und der spätere Handelsminister Josef Staribacher.

1946 wurde auf konservativer Seite als Dachverband der linkskatholischen FÖST, des Cartellverbands und der monarchistischen katholisch-österreichischen Landsmannschaften (KÖL) die Union Österreichischer Akademiker gegründet, welche die ÖH in den ersten Jahren dominierte.
Erste Wahlen: 19. November 1946
Bei den ersten Wahlen am 19. November 1946 erzielten die Konservativen eine deutliche Mehrheit. Bei einer Wahlbeteiligung von 82 Prozent erreichten sie drei Viertel der Stimmen, der VSStÖ 22 Prozent und die Kommunisten drei Prozent.

Damit hatten sie eine deutliche Mehrheit im Zentralausschuss, dem "Studentenparlament" - zum ÖH-Vorsitzenden wurde erneut Leutgeb bestellt.
Folgejahre: Spiegel der Nachkriegsgeschichte
In den folgenden Jahren spiegelte sich in der ÖH die Nachkriegsgeschichte Österreichs: 1947 musste Leutgeb auf Grund seiner NS-Vergangenheit zurücktreten, sein Nachfolger Fritz Köhler verschwand im gleichen Jahr spurlos.

Politisch wurden mit einer Koalition zwischen FÖST und VSStÖ die Kräfteverhältnisse im Nationalrat nachvollzogen. Wichtigste studentenpolitische Forderung in diesen Jahren: Der Kampf gegen eine Erhöhung der Studiengebühren.
Hochschülerschaftsgesetz 1950
Gleichzeitig bemühte sich die ÖH um eine Reform der Hochschulgesetzgebung. In den ersten Jahren hatten die Rektoren noch ein Einspruchsrecht gegen sämtliche ÖH-Beschlüsse und durften studentische Funktionäre ihres Amtes entheben.

Erst 1950 wurde durch das "Hochschülerschaftsgesetz 1950" der Grundsatz der studentischen Selbstverwaltung tatsächlich verankert. Wie andere Kammern kam der ÖH damit das Recht auf Begutachtung von Gesetzesentwürfen zu.
Wahlen 1951: Erweiterter Kreis von Gruppierungen
Vor den ÖH-Wahlen 1951 benannte sich der konservative Dachverband Union, wo die FÖST gegenüber CV und KÖL ins Hintertreffen geraten war, in Wahlblock österreichischer Akademiker um.

Bei den Wahlen selbst durften erstmals auch Gruppierungen antreten, die nicht zu einer der im Nationalrat vertretenen Parteien gehörten - von dieser Möglichkeit machten Gruppen des ehemaligen deutschnationalen und nationalsozialistischen Lagers wie der Bund unabhängiger Studenten (BuS) und die Studentenwahlgemeinschaft (Stuwag) Gebrauch. Zusammen erreichten sie 18 Prozent der Stimmen (Wahlblock 58 Prozent, VSStö 22 Prozent, Kommunisten zwei Prozent; Wahlbeteiligung 61 Prozent).
50er, 60er: Bessere Bedingungen und Studienbeihilfe
Im Mittelpunkt der Bemühungen in den fünfziger Jahren stand die Verbesserung der sozialen Stellung der Studenten. So wurden die wichtigsten ÖH-Zahlungen für fundamentale soziale Anliegen wie Medikamente, Arztkosten, Stipendien, Erholungsheime oder Mensen aufgewendet.

1952 führte eine Erhöhung der Studiengebühren zur ersten großen Studentendemonstration in der Zweiten Republik.

In den sechziger Jahren brauchten die Unis auf Grund der wachsenden Studentenzahlen immer mehr Geld. Als 1961 zugesagte Maßnahmen ausblieben, hielten die Studierenden Anfang Juni einen einwöchigen Hochschulstreik ab. Eine Budgeterhöhung war die Folge.

1963 wurde mit dem Studienbeihilfegesetz erstmals - unter den Voraussetzungen sozialer Bedürftigkeit und guten Studienerfolgs - ein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Studienbeihilfe verankert. Trotz der 68er-Bewegung blieb der konservative Wahlblock dominierende ÖH-Fraktion.
"Blütezeit der Hochschülerschaft" in den 70er Jahren
Die Siebziger brachten mit der Abschaffung der Studiengebühren (1973) und dem Universitätsorganisationsgesetz (UOG 1975), das die Mitbestimmung ausbaute, eine Blütezeit der Hochschülerschaft.

Weitere Meilensteine: Zugang zur Uni ohne Matura durch Studienberechtigungsprüfungen, Möglichkeit des Doppelstudiums und der Kombination von Studienrichtungen, Ausbau der Wiederholungsmöglichkeit von Prüfungen, Studentenermäßigungen und Freifahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln.

ÖH-politisch hatte die 1968 gegründete Österreichische Studentenunion (ÖSU) die Führungsrolle vom Wahlblock übernommen - gesellschaftspolitisch liberaler als ihre Vorgänger, musste sie sich bald mit konservativen Abspaltungen wie der Jungen Europäischen Studenteninitiative (JES) herumschlagen. ÖSU-Akteure der damaligen Zeit waren unter anderem der heutige VP-Klubobmann Wilhelm Molterer oder Ex-Innenminister Ernst Strasser.
80er: Beginn der Umweltbewegung
1984 begann mit der Besetzung der Hainburger Au die Umweltbewegung - mit der ÖH an vorderster Front. 1987 gab es eine Großdemo gegen Einschränkungen bei Familienbeihilfe und Krankenversicherung mit 40.000 Teilnehmern - allerdings vergeblich.

Nachdem die ÖSU bei den ÖH-Wahlen 1979 von 48 auf 38 Prozent abgestürzt war, kam es nach mehreren Abspaltungen 1982 zur Gründung eines neuen Sammelbeckens, der bis heute bestehenden AktionsGemeinschaft (AG). 1985 kandidierte erstmals eine grüne Gruppierung.
1995: Erste Frau an ÖH-Spitze
1991 sprachen sich die Studenten bei einer Urabstimmung für die Beibehaltung der ÖH-Pflichtmitgliedschaft aus. 1996 gab es erneut eine Großdemo mit rund 40.000 Personen gegen ein Sparpaket der Regierung - wiederum war der Erfolg eher gering.

In der ÖH-Politik gab es 1995 ein Novum: Mit Agnes Berlakovich (VSStÖ) wurde erstmals eine Frau und erstmals eine Angehörige einer nicht-konservativen Fraktion durch eine Koalition an die ÖH-Spitze gewählt - 1997 kehrt allerdings wieder die AG an die Macht zurück.
Seit 2005: "HochschülerInnenschaft"
Als im Oktober 2000 die Einführung von Studiengebühren bekannt gegeben wurde, kam es erneut zu - fruchtlosen - ÖH-Protesten.

Seit 2001 steht eine Koalition aus VSStÖ und Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) an der ÖH-Spitze - die GRAS lösten die AG bzw. ihre Vorgänger-Organisationen ab 2003 auch als stimmenstärkste Fraktion ab.

Daran konnte auch eine Änderung des ÖH-Wahlrechts für den Urnengang 2005 nichts ändern. Dieser brachte eine Umstellung von einer direkten Verhältniswahl auf eine Entsendung durch die Uni-Vertretungen.

Seit 2005 heißt die Hochschülerschaft außerdem "HochschülerInnenschaft". Die Beteiligung an ÖH-Wahlen ist seit den 80er Jahren auf rund 30 Prozent gesunken.

[science.ORF.at/APA, 10.3.06]
->   Österreichische HochschülerInnenschaft
 
 
 
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01.01.2010