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Forscher halten H5N1-Sequenzdaten zurück  
  Mit den modernen genetischen Verfahren können relativ einfach ganze Stammbäume von Krankheitserregern erstellt werden. Das eignet sich zur Aufklärung der Übertragungs- und Wanderwege von Seuchen. Doch bei der H5N1-Vogelgrippe "sitzen" offenbar viele Labors auf ihren Sequenzierdaten, um später wissenschaftlichen Ruhm zu ernten.  
Die italienische Expertin Ilaria Capua vom Instituto Zooprofilattico Sperimentale di Venezia hat jetzt an die Virologen der Welt appelliert, diese Informationen allen Wissenschaftern zugänglich zu machen.
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Der Artikel "As H5N1 Keeps Spreading, a Call to Release More Data von Martin Enserink" erschien im Fachjournal "Science" (3. März, Bd. 311, S. 1224; DOI: 10.1126/science.311.5765.1224).
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Aufruf zur Bereitstellung von Daten
Ilaria Capua drängte 50 ihrer Kollegen weltweit, alle Gensequenzdaten in die internationale GenBank einzuspeisen. Sie tat das etwa mit Gendaten von H5N1-Viren, die aus Italien und Nigeria stammten. Das wäre entscheidend, um die Ausbreitung und die Entwicklung des Virus verstehen zu können, erklärte sie.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verfolgt eine andere Strategie: 15 Labors weltweit tauschen über ein Password geschützt ihre Daten aus. Das Argument: Sonst würden manche Länder ihre Informationen gar nicht zur Verfügung stehen. China hat laut "Science" beispielsweise seit einem Jahr keine solchen Informationen mehr mit der WHO ausgetauscht.
->   GenBank
Referenzlabor hält Informationen zurück
Doch auch das EU-Referenzlabor in Weybridge macht offenbar nur einen Teil seiner Sequenzierdaten zu H5N1 der Wissenschaft zugänglich. Dort landen die Proben von H5N1 infizierten Tieren zum Bestätigungstest.

Zwar erklärte sich der Leiter des Labors, Ian Brown, dazu bereit, die Gendaten des H5N1-Stammes in die GenBank zu stellen, der in der Türkei grassiert, doch bis zur Annahme einer wissenschaftlichen Arbeit über die restlichen Daten soll es zu keine weiteren Veröffentlichung kommen.

"Die Mitarbeiter dieses Instituts arbeiten sieben Tage die Woche rund um die Uhr, um den Service aufrecht zu erhalten. Ich glaube, es ist nicht Unrecht, wenn sie einen gewissen Lohn (in Form einer wissenschaftlichen Veröffentlichung, Anm.) bekommen", wird er in "Science" zitiert.

Für Ilaria Capua ist das absurd: Der Umstand, dass ein Labor Proben zugeschickt bekomme und H5N1 sequenziere, gäbe diesem nicht das Recht, auf den Daten zu "sitzen". Vor allem dann nicht, wenn es sich um eine öffentliche Einrichtung handle.
Ausbreitung begann vermutlich in Westchina
Die italienische Expertin: "Die meisten von uns werden dafür gezahlt, dass wir die Gesundheit von Mensch und Tier schützen. Wenn die Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Arbeit mehr wert wird als das, stimmt etwas mit unseren Prioritäten nicht."

Mittlerweile - so ein weiterer Bericht in "Science" (Bd. 311, S. 1225) - stellt aber durch Vergleich der Gendaten von H5N1-Stämmen aus Russland, Kasachstan, Nigeria, Irak und der Türkei immer mehr heraus, dass die Ausbreitung dieser Erreger ursprünglich vom Qinghai See in Westchina begann. Dort waren im Frühjahr 2005 an die 6.000 Wildvögel verendet.

Der Qinghai See ist ein wichtiger Brutort für Gänse, die in weiten Regionen Asiens leben. Sie ziehen von September an nach Burma und über den Himalaya nach Indien. Dieses Virus dürfte auch relativ stabil geblieben sein und sich laut der WHO fest unter den Zugvögel-Populationen etabliert haben.

[science.ORF.at/APA, 16.3.06]
->   WHO - Avian Influenza Update
 
 
 
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01.01.2010