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Gestische Kommunikation: Auch Affen zeigen  
  Zeigen Tiere auf Dinge, um ihre Artgenossen zu informieren? Ja, meinen nun zwei Verhaltensforscher: Schimpansen zeigen offenbar bewusst auf Körperstellen, wenn sie dort gekratzt werden wollen.  
Das weist wiederum darauf hin, dass die Tiere einfache Gedankengänge ihres Gegenübers nachvollziehen können, berichten Simone Pika von der University of St. Andrews in Fife (Schottland) und John Mitani von der University of Michigan in Ann Arbor.
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Die Studie "Referential-Gestural Communication in Wild Chimpanzees (Pan troglodytes)" von Simone Pika und John Mitani erschien in "Current Biology" (Band 16, R191-R192).
->   Studie
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Hinweisen durch Worte ...
Für den Menschen ist die so genannte Referenz, die Bezugnahme auf Dinge in unserer Lebenswelt, etwas Selbstverständliches. Schon allein deshalb, weil wir das mittels sprachlicher Wendungen tun können. Wenn wir etwa über ein Objekt sprechen, dann verwenden wir einfach dessen Namen, um klar zu machen, was gemeint ist.

So können wir beispielsweise "Abendstern", "Morgenstern" oder "Venus" sagen, um auszudrücken, dass wir uns auf den sechstgrößten Planeten des Sonnensystems beziehen.
...oder durch Gesten
Schwieriger wird es, wenn wir uns dabei allein auf die Gestik beschränken. Die in diesem Fall nahe liegende Lösung: Wir zeigen einfach auf das zweithellste Objekt am Nachthimmel, um die Aufmerksamkeit unseres Gegenübers dorthin zu lenken.

Solche Gesten sind keineswegs trivial. Sie setzen nämlich voraus, dass man verstanden wird. Anders ausgedrückt: Der Kommunikationspartner muss zur Zuschreibung mentaler Zustände fähig sein, er muss nachfühlen, was der andere denkt, wenn dieser auf etwas zeigt.
Können Tiere zeigen?
Ob Tiere dazu imstande sind, war lange Zeit umstritten. Zwar wurde in den 90er Jahren nachgewiesen, dass auch Menschenaffen auf Objekte zeigen, aber diese Befunde wurden an Tieren gewonnen, die von Menschen trainiert wurden oder zumindest an deren Anwesenheit gewohnt waren (Journal of Comparative Psychology, Bd. 118, S. 48).
Schimpansen bei der Fellpflege
Bild: Simone Pika
Simone Pika von der University of St. Andrews in Fife und John Mitani von der University of Michigan wiesen nun nach, dass auch Schimpansen in freier Wildbahn referenzielle Gesten verwenden.

Pika und Mitani verfolgten die Kommunikation von wilden Schimpansen (Pan troglodytes) in der Ngogo-Gemeinde von Ugandas Kibale Nationalpark. Dabei konzentrierten sich die Forscher auf die Fellpflege, die einander Paare von Männchen angedeihen ließen - ein Verhaltensmuster, das Ethologen "Grooming " nennen.
->   Video: Chimpanzee Grooming
Bitte hier kratzen!
Pika und Mitani fanden heraus, dass die Schimpansen gezielt auf bestimmte Körperstellen hinwiesen und eine übertriebene Kratzbewegung ausführten. Die Geste trat bei 186 von 249 untersuchten Situationen auf und war auch häufig von Erfolg gekrönt: In 64 Prozent der Fälle konzentrierte sich der Grooming-Partner auf die bewusste Stelle - und begann zu kratzen.
Bedeutung wird verstanden
Eine Interpretation dieses Befundes wäre etwa, dass diese Geste das Grooming vereinfacht, weil damit Männchen erfahren, ob ihre körperliche Annäherung an ranghöhere Individuen akzeptiert wird. Träfe das zu, dann sollte ihr Gebrauch mit dem sozialen Rang zusammenhängen. Das war allerdings nicht der Fall.

So bleibt folgende Deutung: Die Schimpansen verwenden offenbar das Zeigen, um Grooming an einer bestimmten Stelle auszulösen, weil es schlichtweg angenehm ist. "Unsere Beobachtungen legen nahe, dass der Empfänger des Signals die intendierte Bedeutung versteht", schreiben Pika und Mitani in ihrer Studie. Die Geste könne man daher als referenziell oder hinweisend bezeichnen.

[science.ORF.at, 21.3.06]
->   Website von Simone Pika
->   Website von John Mitani
 
 
 
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01.01.2010