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"Linkshändige" Schnecken leben sicherer  
  Schnecken mit linksgewundenen Gehäusen haben gegenüber ihren Kollegen mit rechtsgewundenen Gehäusen einen entscheidenden Vorteil: Sie sind besser vor den Angriffen gefräßiger Krebse geschützt.  
Den Krebsen, die in der Regel "Rechtshänder" sind, ist das Knacken ihrer "linkshändigen" Beute schlichtweg zu mühsam, argumentieren der Geologe Gregory P. Diets von der Yale University und sein Kollege Jonathan R. Hendricks von der Cornell University.
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Der Artikel "Crab scars reveal survival advantage of left-handed fossil snails" von P. Dietl und R. Hendricks ist in den Proceedings der Royal Society B (Biological Sciences) vom 22.03.2006 erschienen (doi: rsbl.2006.0465).
->   Artikel (sobald online veröffentlicht)
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Rechtswindung als Normalfall
Meeresschnecken haben in der Regel Gehäuse, die sich nach rechts winden. Am besten lässt sich das feststellen, wenn man ihre Gehäuse von der geöffneten Seite her betrachtet: Liegt die Mündung des Gehäuses rechts der Spindelachse, so ist das Gehäuse rechtsgewunden.

Zwar sind bei vielen Schneckenarten auch vereinzelt linksgewundene Exemplare zu finden - ausschließlich linksgewundene Arten sind jedoch sehr rar.

Linksgewundenheit tritt als prägendes Merkmal lediglich bei zwei Schneckengruppen im westlichen Atlantik auf, die im Pliozän - und damit vor mehr als 3,5 Millionen Jahren - verbreitet waren: bei Wellhörnern und bei kegelförmigen Schnecken.

Bei den Wellhörnern kommen noch heute beide Drehrichtungen vor. Bei den Kegelschnecken verliert sich jedoch die Spur der "Linkshänder" mit dem Aussterben der C. adversarius vor zwei Millionen Jahren.
Linkswindung bislang wenig erforscht
Bislang hatte man sich mit den lebenspraktischen Konsequenzen dieser raren Umkehrung in der Gehäusewindung kaum beschäftigt.

Die Windungsrichtung beeinflusst zwar wesentlich die Reproduktion: "Lichtshändige" Schnecken haben oft Schwierigkeiten, sich mit "rechtshändige" Artgenossen zu paaren. Daher bevorzugen sie Partner mit der gleichen Windungsrichtung des Gehäuses.

Abseits der Erleichterung der Reproduktion würde die Linksdrehung jedoch keine überlebensrelevanten Vorteile bieten, lautete die bisherige These.
Analyse von Fossilien fordert gängige Theorien heraus
 
Bild: Dietl & Hendricks

Bild: Links- und rechtsgewundene Welhörner und kegelförmige Schnecken (A-D) und "Narbe" in Folge eines Krebsangriffs auf der Schale einer 'Busycon carica' (E)

Diets und Hendricks, die gut erhaltene Schneckenfossilien aus dem Pliozän und dem eiszeitlichen Pleistozän untersucht haben, kommen nun zum Schluss, dass die Windungsrichtung überlebenstechnisch bedeutsamer sein könnte als bislang vermutet.

Sie haben festgestellt, dass Gehäuse von rechtsgewundenen Schnecken eine weit größere Zahl von "Narben" in Folge von missglückten Angriffen durch Krebse aufweisen als linksgewundene Arten.

Da sich der asymmetrische Greifer, den Krebse verwenden, um ihre Beute zu knacken und zu schälen, normalerweise an der rechten Seite ihres Körpers befindet, sind sie beim Aufbrechen von linksgewundenen Schnecken im Nachteil.

"Linkshändige" Schnecken stellen für die in der Regel "rechtshändigen" Krebse eine Zeit- und Energieverschwendung dar, weshalb sie viel seltener auf ihren Speiseplan vorkommen.
Linkshänder nicht nur im Tierreich im Vorteil
"Linkshändige" Schnecken lukrieren aus ihrer Seltenheit somit einen entscheidenden Startvorteil: Die "rechtshändigen" Krebse wissen viel weniger über ihre "linkshändige" Beute als umgekehrt und haben wenig Erfahrung, wie man diese manipulieren kann.

Die Wissenschaftler sehen hier durchaus Parallelen zum Startvorteil, den Linkshänder in manchen Sportarten genießen. Vor allem in jenen Sportarten, in denen sich zwei Kontrahenten gegenüber stehen - wie etwa im Boxen, Tennis oder Fechten -, kommt Linkshändern immer wieder die Unerfahrenheit von Rechtshändern im Umgang mit Linkshändern zu gute.

Nicht nur unter Schnecken kann "Linkshändigkeit" also eindeutige Vorteile bringen. Warum die Linksdrehung von Schneckengehäusen trotz dieser Vorteile nicht verbreiteter ist, können allerdings auch Dietl und Hendricks nicht beantworten.

[science.ORF.at, 22.3.06]
->   Department of Geology and Geophysics, Yale University
->   Department of Earth and Atmospheric Studies, Cornell University
 
 
 
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01.01.2010