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Studie: Feinstaub kann Lebenserwartung verringern  
  Anhaltend hohe Feinstaubbelastung kann einer Studie des Umweltbundesamtes zufolge die Lebenserwartung der Österreicher verkürzen, nämlich um durchschnittlich neun Monate.  
Das Thema Feinstaub reizt seit einigen Jahren die Gemüter und vor allem die Lungen. Heuer haben bereits neun Städte die Grenzwerte erreicht oder übertroffen.
Je feiner, desto gemeiner
Die Feinsten sind die Gemeinsten: Die feinen Partikel aus Verkehr, Industrie, Hausbrand oder Straßensplitt gelangen bis tief in die Lunge.

Schon vor Monaten hat die Weltgesundheitsorganisation WHO gewarnt, dass erhöhte Feinstaub-Belastung zu mehr Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislaufsystems führt. Und: dass dadurch die Lebenserwartung sinken kann.

Erhöhte Feinstaub-Belastung könne zu mehr Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislaufsystems führen, besagt eine Studie des Umweltbundesamtes im Auftrag des Umweltministeriums.

Dadurch könne die Lebenserwartung sinken - in Österreich durchschnittlich um 9 Monate, sofern die Feinstaubbelastung über mehrere Jahrzehnte so hoch bleibe. Die stärksten Effekte zeigen sich für Graz, Linz und Wien.
Risikofaktor Wohnort?
Das (regionale) Risiko hat sich das österreichische Umweltbundesamt im Auftrag des Umweltministeriums nun genauer angesehen.

Durchschnittlich werde die Lebenserwartung in Österreich um neun Monate verkürzt - nicht sofort natürlich, sondern langfristig und sofern die Feinstaubwerte viele Jahre hoch bleiben und nicht rasch gehandelt wird, sagt Jürgen Schneider, der die Abteilung für Lufthygiene am Umweltbundesamt leitet.

Die stärksten Effekte zeigen sich dann für Graz, Linz und Wien: Graz minus 17 Lebensmonate, Linz minus 14, Wien minus 12, heißt es vom Umweltbundesamt gegenüber Ö1.
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Sozialmediziner Kunze: "Studie mit Vorsicht zu genießen"
Der Wiener Sozialmediziner Michael Kunze zeigte sich laut einer Meldung der APA gegenüber der neuen Feinstaub-Untersuchung äußerst kritisch: "Die Studie ist mit Vorsicht zu genießen." Der Experte finde es problematisch - auch wenn die Zahlen stimmen sollten - dieses Thema ohne Absprache mit anderen Wissenschaftlern über die Medien herauszublasen. "Ich hätte beinahe gesagt, unseriös", sagte Kunze im APA-Gespräch. Die Menschen würden damit nur verunsichert werden.
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Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen
Für Gesamtösterreich durchschnittlich neun Lebensmonate weniger, das entspreche 5.500 zuordenbaren Todesfällen pro Jahr, steht in der Studie des Umweltbundesamtes zu lesen.

Schneider im ORF-Radio: "Bei einer Zunahme der Feinstaub-Belastung kommt es auch zu einer Zunahme der Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen."
Auch Innenräume belastet
An Tagen mit erhöhter Feinstaub-Belastung zuhause zu bleiben, das schütze nicht unbedingt, sagt der Biochemiker und Lufthygiene-Experte des Umweltbundesamtes im Ö1-Journal: "Dazu gibt es bislang keine Studien.

Wir konnten aber mit Messungen zeigen, dass an Tagen mit erhöhter Feinstaubbelastung auch die Innenraum-Konzentrationen an Feinstaubbelastung nach oben gehen. Das heißt: Das, was bei Ozon sehr gut funktioniert - nämlich das Zuhausebleiben -, funktioniert bei Feinstaub weniger."
"Maßnahmen verringern Problem, lösen es nicht"
Die Studie zeige deutlich, dass die Feinstaub-Belastung in Österreich zu hoch sei und dass rasch gehandelt werden müsse, sagt Schneider.

Solche Maßnahmen wie z.B. NOVA-Regelung für Dieselrußpartikelfilter, Fahrverbote oder Geschwindigkeitsbeschränkungen verringern das Feinstaub-Problem zwar, sagt der Lufthygiene-Experte des Umweltbundesamtes zum ORF, sie lösen es aber noch nicht.
Was ist überhaupt schädlich?
So winzig, fürs freie Auge unsichtbar, und anscheinend doch so große Auswirkungen auf die Gesundheit: Feinstaub kann bis tief in die Lunge dringen, gelangt von dort aus ins Blut und damit z.B. in Herz oder Leber, wo die feinen Teilchen die Blutgerinnung beeinflussen können, schildert der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter im ORF-Radio: "Die extrem feinen Partikel können bis zu Herzkreislaufproblemen und Herzinfarkt führen."
Schnelle Effekte im Körper
Der Mediziner Manfred Neuberger befasst ebenfalls wissenschaftlich mit dem Reiz-Thema Feinstaub. Er leitet die Abteilung für Präventivmedizin am Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien und erklärt im Ö1-Mittagsjournal:

"Das Herzkreislaufsystem reagiert extrem empfindlich und sehr rasch auf Feinstaub. Die Blutplättchen werden klebriger, das Blut wird zäher. Gleichzeitig können am Herzen (im Reizleitungssystem) Veränderungen sehr rasch eintreten, die das Herz auf Rhythmusstörungen empfindlich machen."
Langfristig drohen Gefäßschäden?
Abgesehen von den akuten Auswirkungen, die laut dem Umwelthygieniker und Mediziner Manfred Neuberger vor allem bereits kranken Menschen schaden können, gibt es chronische Auswirkungen, die auch gesunde Menschen kaum aufatmen lassen.

Feinstaub kann dauerhaft Entzündungen im Körper auslösen - v.a. in der Lunge, aber auch in anderen Organen. Zudem kann Feinstaub bei Dauerbelastung zur Gefäßverkalkung führen. "In diesem Fall als chronische Entwicklung - vom zunächst gesunden Gefäß, vom gesunden Herz ausgehend über Jahre hinweg."
Vermutung: Herz gerät aus dem Rhythmus
Mit der Studie über die statistische Lebensverkürzung durch anhaltend hohe Feinstaub-Belastung hat das Umweltbundesamt ziemlich Staub aufgewirbelt.

Studienautor ist der Biochemiker Jürgen Schneider; er verweist neben chronischen Entzündungen in der Lunge und der Begünstigung von Gefäßverkalkung auf Studien, wonach Feinstaub womöglich die Herz-Steuerung beeinflussen könne.
Feinstaub und Lungenkrebs
Die US-amerikanische Krebsgesellschaft vermutet zudem auch einen Zusammenhang zwischen langer und hoher Feinstaub-Belastung und Lungenkrebs, sagt der Wissenschafter der Medizinischen Uni Wien Manfred Neuberger im ORF-Radio.
"Tief liegendes" Problem
Manche der feinen Staubpartikel aus Verkehr, Industrie oder Hausbrand lagern sich in der Lunge übrigens regelrecht ab: Je feiner, desto länger bleiben sie im Körper - bis zu 100 Tage, sagt Neuberger.

Besonders gefährlich seien Dieselruß und Holzrauch sowie Passivrauchen, denn auch letzteres zählt zur Feinstaubbelastung.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 24.3.06
->   Feinstaub - Umweltbundesamt
->   Alle Beiträge zum Stichwort Feinstaub im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010