News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Gen-Medikament gegen Durchblutungsstörungen  
  Bestimmte Durchblutungsstörungen könnten künftig per Gentherapie geheilt werden: Eine Behandlung chronisch verstopfter Beingefäße mit einem Gen-Medikament hat bei Testpersonen zu guten Ergebnissen geführt.  
Das berichtet die Leiterin der Gefäßheilkunde der Universität Münster, Sigrid Nikol. Mit dem Therapieansatz hoffe sie, in einigen Jahren Beinamputationen wegen massiver Durchblutungsstörung verhindern zu können.
Amputation: Bei bis zu drei Prozent
In Deutschland leide etwa jeder vierte der über 65-Jährigen unter Durchblutungsstörungen der Beine, sagte der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Angiologie, Karl-Ludwig Schulte.

Bei zwei bis drei Prozent der Patienten verschlimmere sich die Krankheit soweit, dass sie nicht mehr heilende Wunden bekämen und häufig nur die Amputation bleibe.
Mittel senkt Notwendigkeit um 50 Prozent
Genau an diesen Patienten testete Nikol ihren Therapieansatz in einer ersten Studie mit 125 Freiwilligen.

Dabei habe das Mittel die Notwendigkeit von Amputationen um 50 Prozent gesenkt. "Auch die Sterblichkeit im ersten Jahr nach der Diagnose wurde halbiert", sagte Nikol.
Mit Erbinformation für Wachstumsfaktor
Das in Münster entwickelte Mittel schubst die Zellen mit einem Trick zur Bildung neuer Blutgefäße an: Es enthält die Erbinformation für einen Wachstumsfaktor aus dem menschlichen Erbgut.

Eine mit den Genen angereicherte Lösung spritzen die Ärzte den Patienten in die Beinmuskeln ober- und unterhalb des Knies.
"Langzeitproduktion von Wachstumsfaktoren"
"Im Muskel wird das Gen-Konstrukt von den Zellen aufgenommen", sagte Nikol. Es werde neben dem eigenen Erbgut im Zellkern gelagert. Immer wieder wird die Information dort abgelesen und in den gesuchten Wachstumsfaktor übersetzt.

"Wir kurbeln eine Langzeitproduktion von Wachstumsfaktoren an", sagte die Wissenschaftlerin. Über Monate rege der Wachstumsfaktor die Zellen zur Bildung neuer Gefäß-Sprosse an, die dann im Bein zu Umwegen um die verschlossenen Arterien wüchsen. Der Blutfluss verbessere sich wieder.
Warnung vor zu großer Freude
Experten warnen jedoch vor zu großer Freude: "Die Gentherapie beginnt gerade erst, ihren Kinderschuhen zu entwachsen", sagte der Direktor des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, Christoph von Kalle. Noch sei seinem Wissen nach in Europa kein entsprechendes Mittel zugelassen.

Derzeit werde eine Reihe von Gen-Medikamenten für Durchblutungsstörungen getestet, ergänzte Gefäßspezialist Schulte. "Einige Studien haben auch negative Ergebnisse gebracht." Jedoch zeige die placebokontrollierte, doppelblinde Studie der Münsteraner "einen ersten positiven Trend".

Ob das Mittel die hohen Erwartungen halten könne, müsse nun in einer größeren Studie getestet werden. Damit wollen die Münsteraner noch in diesem Jahr beginnen. Dann sollen in einer so genannten Phase III-Studie 500 Menschen das Medikament erhalten.

[science.ORF.at/APA/dpa, 29.3.06]
->   Sigrid Nikol, Universitätsklinikum Münster
->   Deutsche Gesellschaft für Angiologie
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010