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Archäologen finden christliche Mumien in Ägypten  
  Deutsche Archäologen haben bei Luxor mumifizierte "Wickelleichen" koptischer Mönche entdeckt. Die Körper sind nach Angaben der Forscher intakt, Haut, Muskeln und innere Organe noch zu erkennen.  
Fund aus dem 6. Jahrhundert
Mit Blick auf die monumentalen Zeugnisse der Kultur der Pharaonen führten Mönche ab dem frühen 6. Jahrhundert in Deir al-Bachit ein relativ bescheidenes Leben.

Die Zellen der koptischen Christen, von denen damals bis zu 72 auf einmal in dem ägyptischen Kloster auf einem Hügel am Westufer der heutigen Stadt Luxor lebten, waren so eng, dass sie fast wie Puppenstuben wirken.

Wo die Kirche stand, die einst zu dem 75 mal 75 Meter großen koptischen Kloster gehörte, kann ein deutsches Archäologenteam um Ina Eichner bisher nur vermuten. Genauer wissen die Forscher dagegen im dritten Jahr ihrer Grabung, wie die frommen Männer damals den Weg ins Jenseits antraten.
"Wickelleichen" in pharaonischer Tradition präpariert
Denn nur rund vier Meter von der Klostermauer entfernt liegt ein Friedhof mit Dutzenden von ordentlich nebeneinander aufgereihten Gräbern. Und in fast jeder dieser mit Kalkschutt und Lehmziegeln umfassten Mulden haben die Forscher jeweils eine einbalsamierte, kunstvoll eingewickelte Leiche gefunden.

Diese "Wickelleichen" sind zwar keine "echten Mumien". Sie stehen aber, was die Art und Weise betrifft, in der die Leichen präpariert wurden, durchaus in der Tradition der Pharaonen, die von der 18. bis zur 20. Dynastie im nahe gelegenen Tal der Könige begraben worden waren.
Namenlose Bestattung
Denn mit traditionellen christlichen Jenseitsvorstellungen und Bestattungsriten hat diese einfache Mumifizierungstechnik nichts zu tun. Im Gegensatz zu den Königsmumien ließen sich die Mönche jedoch in Gräbern ohne Inschriften bestatten, so dass die nun von den Forschern entdeckten "Wickelleichen" namenlos bleiben.

Lediglich in den Ruinen des Klosters, wo die Archäologen neben gemauerten Sitzringen, die sich um runde Tische gruppieren, Vorratsräumen und Webstuhl-Gruben auch viele Alltagsgegenstände fanden, gibt es einige Hinweise auf die Namen der Männer, die hier einst beteten und arbeiteten. "Ich, Bruder Pous, bete", steht auf einem Essgefäß. Isaak und Anatolio sind weitere Namen, die auf Scherben entdeckt wurden.
Köpfe zeigen Richtung Westen
Ganz wie die Pharaonen ließen sich auch die Mönche mit dem Kopf im Westen bestatten. Ihrem Kloster kehrten die Männer aus Deir al-Bachit damit den Rücken zu. Der Kopf lag erhöht, so dass der Tote gen Osten blickte, dorthin, wo man das Paradies vermutete.
Mit Harz konserviert
Vor der Bestattung wurde der Körper des Mönches komplett mit einer Art Harz eingerieben, wobei ihm zuvor nicht, wie bei den Pharaonen üblich, die Eingeweide entfernt wurden. Dann zog man dem Toten einen Lendenschurz und ein ärmelloses Leichentuch an und wickelte ihn in vier Leinentücher, die kunstvoll verknotet wurden.

Anschließend wurde der Leichnam sehr ordentlich mit festen, rot-weiß-karierten Stoffbändern umwickelt. Das Grab schlossen die Mönche mit einer Lehmschicht. Das trockene Klima half, die so aufwändig präparierten Mönche zu konservieren.
Muskeln und Organe erkennbar
"Die Mumien sind größtenteils intakt, Haut, Muskeln und innere Organe sind noch zu erkennen", sagt Eichner, die Expertin für byzantinische Archäologie ist und mit ihren Kollegen in Deir al- Bachit in diesen Tagen letzte Hand anlegt. Denn bald wird die Grabungsstätte bis zur nächsten Kampagne im Winter geschlossen.

Die reiche Ausbeute der Forscher lagert in zwei luftigen Behelfszelten unterhalb der Klosteranlage. Hier finden sich unter anderem lederne Bucheinbände, Papyri, Pergamentreste mit koptischer und lateinischer Beschriftung sowie gewebte Stoffe und hölzerne Tintenbehälter.
Historisches Schicksal der Mönche unbekannt
Die bisher ausgegrabenen eingewickelten Leichen, deren Köpfe ebenfalls vollständig von Leinentüchern und Bändern bedeckt sind, ruhen nun, bis einige von ihnen zu einer eingehenden Untersuchung weggebracht werden, übergangsweise in einem nahe gelegenen Grab aus der Pharaonenzeit. Hier liegen sie gut geschützt.

Was aus den letzten Mönchen des Klosters wurde, von dem man bisher auch nur den modernen arabischen Namen kennt, weiß bisher niemand. Die Forscher hoffen allerdings, dass ihnen die Auswertung der rund 2.600 Fundstücke, die sie in drei Kampagnen aus dem Boden geholt haben, helfen werden, auch dieses Rätsel zu lösen.

Anne-Beatrice Clasmann, dpa, 30.3.06
->   Koptische Kirche - Wikipedia
->   Mumie - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010