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Kultivierung von Weizen dauerte Jahrtausende  
  Vor 10.000 Jahren haben im Nahen Osten die ersten Weizenanbauten eine wesentliche Grundlage für unsere Zivilisation geschaffen. Die Kultivierung des Getreides dürfte aber länger gedauert haben als gedacht.  
Viele Botaniker vertraten bislang die These, dass sich der Anbau von kultiviertem Weizen nach ersten Domestizierungsversuchen von Wildpflanzen rasch durchgesetzt hat.

Der Botaniker George Willcox und der Pflanzengenetiker Ken-ichi Tanno machen sich in der aktuellen Ausgabe von "Science" jedoch für die "Slow-go"-Hypothese stark: Die ersten Bauern der Menschheit hätten mehr als ein Jahrtausend lang wilde Pflanzen kultiviert, bevor ihre Ernten den heutigen ähnlich sahen.
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Die Studie "How Fast Was Wild Wheat Domesticated?" von Ken-ichi Tanno und George Willcox ist im Fachmagazin "Science" vom 31. März 2006 (Band 311, Nr. 5769, S. 1886) erschienen.
->   Abstract
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Ährenfunde aus alten Siedlungen untersucht
George Willcox und Ken-ichi Tanno haben fast 10.000 Ähren untersucht, die bei archäologischen Ausgrabungen freigelegt wurden. Die Forscher konzentrierten sich dabei auf vier Siedlungen aus unterschiedlichen Epochen in Nordsyrien und in der südöstlichen Türkei, wo Weizen erstmals kultiviert wurde.

In nur 804 Fällen konnten die beiden Forscher mit Sicherheit feststellen, ob diese Ähren domestiziert oder wild waren. Dennoch zeigte sich ein deutlicher Trend: In den älteren Siedlungen ließ sich weit weniger kultiviertes Saatgut finden als in den jüngeren.
Wildpflanzen nur langsam durch Kulturpflanzen ersetzt
Während etwa in der 10.500 Jahre alten Siedlung Nevali Cori in der Türkei nur zehn Prozent der Ähren eindeutig von Kulturpflanzen stammten, waren es in der 8.500 Jahre alten Siedlung el Kerkh in Syrien 36 Prozent und in der 7.500 Jahre alten Siedlung Kosak Shamali - ebenfalls in Syrien - bereits 64 Prozent.

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass wilde Pflanzen erst langsam durch Kulturpflanzen, die durch Mutationen entstanden, ersetzt wurden. Begünstigt wurde ihre Weiterentwicklung durch die Kultivierungsmethoden, die eingesetzt wurden.
Fachwelt debattiert über die Studie
Der Botaniker Gordon Hillman vom Institute of Archaeology am University College London, der einer der ersten Forscher war, die die These vom schnellen Übergang vertraten, zeigte sich von der Studie beeindruckt.

Seine Kollegin Amy Bogaard von der University of Nottingham ist angesichts des beschränkten Umfangs der Studie skeptisch. Doch auch sie würdigt, dass man durch die Studie mehr Beweise dafür gewonnen hätte, dass die ersten Bauern Wildpflanzen angebaut haben, noch bevor diese voll kultiviert waren.

[science.ORF.at, 31.3.06]
->   George Willcox, National Center for Scientific Research in Lyon
->   Mehr zum Thema Weizenkultivierung in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010