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20 Jahre Tschernobyl: Gesundheit leidet immer noch  
  Am 26. April 1986 ist im Atomkraftwerk Tschernobyl ein Reaktor explodiert. Auch wenn 20 Jahre später die gesundheitlichen Folgen der Katastrophe nicht genau zu beziffern sind, so sind ihre Spuren bis heute sichtbar - so etwa durch auftretende Brustkrebsfälle und Schilddrüsenerkrankungen. Gerade in Westeuropa gibt es aber vermutlich eine hohe Dunkelziffer.  
Vor 20 Jahren bekam das Wort Super-GAU, also "Größter Anzunehmender Unfall", eine neue Bedeutung: Am 26. April 1986 explodierte im Atomkraftwerk Tschernobyl der Reaktor "Block 4".

Den Jahrestag haben Wiener Umweltanwaltschaft und Österreichisches Ökologie-Institut zum Anlass genommen, Experten am Mittwoch zu einer öffentlichen Veranstaltung nach Wien einzuladen.
Weißrussland am stärksten betroffen
Ukraine, 1986, Tschernobyl: Ein Experiment im Atomkraftwerk gerät außer Kontrolle, ein Reaktor explodiert, radioaktive Strahlenwolken treiben über Europa.

Vor allem Weißrussland ist von den radioaktiven Strahlenwolken betroffen: 70 Prozent des radioaktiven Fallouts gingen auf Weißrussland nieder, 15 Prozent auf die Ukraine, 15 Prozent auf Russland, sagt Edmund Lengfelder, Strahlenmediziner und Strahlenbiologie an der Universität München.
Schilddrüsen-Erkrankungen, Brustkrebs
Lengfelder forscht und hilft seit 1990 schwerpunktmäßig in Weißrussland - durch klinische Projekte in Sachen Schilddrüsenerkrankungen und Schilddrüsenkrebs.

Bis heute seien in Weißrussland 14.000 Fälle von Schilddrüsenkrebs aufgetreten, davon 1.400 bis 1.450 bei Kindern und Jugendlichen.

Mittlerweile verzeichne man in der am stärksten betroffenen Region namens Gomel - 1,6 Millionen Menschen wohnen laut Lengfelder hier - auch mehr Brustkrebsfälle: Um 100 Prozent sei die Neuerkrankungsrate höher gewesen als der Zehn-Jahresdurchschnitt vor dem Reaktorunfall, so Lengfelder im Gespräch mit Radio Österreich 1.

Es seien überwiegend junge Frauen mit 35 oder gar erst 25 Jahren, während es früher Patientinnen ab 50 oder 55 Jahren gewesen seien. Die Latenzzeiten (bis eine Krebserkrankung auftritt) seien weitgehend vorüber, daher steigen laut Lengfelder die Fälle "weiter drastisch" an.
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Die Katastrophe
Vor 20 Jahren, am 26. April 1986, ereignete sich in Tschernobyl die bis dahin undenkbare Katastrophe: Ein Experiment im Atomkraftwerk geriet außer Kontrolle, eine Explosion zerstörte den Reaktor, Radioaktivität entwich - mehrere Strahlenwolken trieben über Europa. Die Öffentlichkeit erfuhr von diesem Unfall erst Tage später. Eine eindeutige Bilanz des Super-GAUs gibt es bis heute nicht: Die Angaben schwanken von 31 Toten bis zu 30.000 Toten. Noch ungenauer sind die Aussagen über langfristige Schäden und Krebserkrankungen.
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Untersuchungen zu Westeuropa fehlen?
Auch Staaten weiter westlich blieben nicht verschont, sagt der Münchner Strahlenmediziner Lengfelder im ORF-Radio: "Wir haben dazu eine Untersuchung in Tschechien gemacht: Gemeinsam mit dem nationalen Krebsregister haben wir für die Zeit vor Tschernobyl und die Zeit bis 1999 die Krebsfälle ausgewertet.

Dabei sehen wir einen hoch signifikanten Anstieg bei den Schilddrüsenkrebsfällen bei den Frauen: 680 Fälle zusätzlich zu jenen Fällen, die man normalerweise in der Bevölkerung erwarten würde. Diese 680 Fälle sind aufgetreten, obwohl Tschechien weniger belastet ist als Bayern oder das südliche Baden-Württemberg.

Wenn wir dort eine Untersuchung durchführen könnten, fänden wir sicher noch mehr. Aber auch im Land Salzburg - wenn dort eine Untersuchung gemacht würde, würde ich erwarten, dass man eine ziemliche Zahl finden würde - zusätzlich zu den normalerweise vorhandenen."

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 6.4.2006
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UNO-Bericht zu Tschernobyl
Bereits im Herbst 2005 präsentierten die Vereinten Nationen einen Bericht über die Langzeitfolgen des schwersten Unfalls in der Geschichte der Atomenergienutzung: Überraschenderweise fielen die Prognosen der erwarteten Todesfälle viel niedriger aus als bisher befürchtet. Die durch den Unfall freigesetzte radioaktive Strahlung könnte insgesamt bis zu 4.000 Menschenleben fordern (bereits erhobene und noch zu erwartende Todesfälle), bilanzierte ein internationales Team von rund 100 Wissenschaftlern. Die Folgen für die Psyche der Betroffenen und die Wirtschaft seien viel gravierender.
->   Tschernobyl: Folgen weniger schlimm als erwartet (6.9.05)
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->   Wiener Umweltanwaltschaft
->   Österreichisches Ökologie-Institut für angewandte Umweltforschung
->   Mehr zur Veranstaltung "20 Jahre nach Tschernobyl - und die Folgen für die Energiepolitik" (5.4.2006)
 
 
 
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01.01.2010