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Studie: Östrogen allein steigert Brustkrebsrisiko nicht  
  Hormonersatztherapien zur Behandlung von Beschwerden bei Frauen in den Wechseljahren haben in den vergangenen Jahren häufig für Schlagzeilen gesorgt - und für Verunsicherung. Birgt die kombinierte Hormonbehandlung in der Menopause angeblich ein gesteigertes Risiko für Frauen, an Brustkrebs zu erkranken, so hat eine aktuelle US-Studie jetzt erhoben: Die Behandlung mit Östrogen allein steigert das Risiko einer Brustkrebserkrankung nicht.  
Die Studie der Women's Health Initiative (WHI) wurde unter Leitung der Medizinerin Marcia Stefanick von der Stanford University ausgewertet.

Teilnehmerinnen waren Frauen in den Wechseljahren nach einer Gebärmutterentfernung (Hysterektomie). Die Gruppe, die ein Östrogen-Mittel einnahm, wies - zumindest nach sieben Jahren der Behandlung - nicht mehr Fälle von Brustkrebs auf, als die Placebo-Gruppe.

Doch die Frauen, die eine Östrogentherapie machen, sollten sich häufiger Mammographie-Untersuchungen unterziehen und müssen eventuell auch öfter Biopsien durchführen lassen, analysierten die Wissenschaftler.
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Der Artikel "Effects of Conjugated Equine Estrogens on Breast Cancer and Mammography Screening in Postmenopausal Women With Hysterectomy" ist in der Fachzeitschrift "Journal of the American Medical Association / JAMA" (Bd. 295, Nr. 14, S. 1647, 12. April 2006).
->   JAMA
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Eine Geschichte abgebrochener Untersuchungen
Die von der WHI initiierten Untersuchungen zur Hormonbehandlung bei Frauen in den Wechseljahren verliefen in der Vergangenheit nicht immer wie geplant: Bereits im Jahr 2002 musste eine WHI-Studie zur kombinierten Hormonbehandlung, einer Östrogen-Progesteron-Therapie, gestoppt werden. Der Grund war ein erhöhtes Krebsrisiko.

Auch die WHI-Studie zur Östrogen-Behandlung wurde Anfang 2004 vorzeitig abgebrochen. Es gab einen Verdacht auf ein gesteigertes Risiko von Schlaganfällen, ein erhöhtes Brustkrebsrisiko konnte nicht eindeutig festgestellt werden. Stefanick und ihr Team machten sich nun an eine neue Auswertung.
->   Weitere Hormonstudie vorzeitig abgebrochen (3.3.04)
->   Kombinierte Hormontherapie erhöht Brustkrebsrisiko (8.8.03)
->   US-Studie zur Hormonersatztherapie gestoppt (9.7.02)
Östrogen- und Placebo-Gruppe im Vergleich
Der jetzt vorgestellte WHI-Bericht basiert auf der Untersuchung von rund 10.700 gesunden Frauen in den Wechseljahren (50 bis 79 Jahre alt), die sich bereits die Gebärmutter entfernen haben lassen. Die eine Hälfte der Teilnehmerinnen hatte sich sieben Jahre lang einer Östrogen-Behandlung unterzogen, die andere Hälfte nahm ein Placebo-Mittel ein.

Östrogen - ohne Progesteron - wird nur Frauen empfohlen, die keine Gebärmutter mehr besitzen. Frauen mit einem Uterus sind bei der Östrogentherapie einem höheren Risiko für Gebärmutterkrebs ausgesetzt, zeigten vorhergehende Untersuchungen. Daher greifen letztere auf ein Kombinations-Präparat zurück, schreiben die Forscher.

Stefanick und ihr Team analysierten die aufgetretene invasive Brustkrebserkrankungen bei den Teilnehmerinnen der zwei Testgruppen sowie die Aufnahmen, die im Rahmen von Mammographien entstanden sind.
Nicht mehr Brustkrebstumoren ...
Über einen Zeitraum von sieben Jahren zeigten die Teilnehmerinnen mit der Östrogentherapie weniger Brustkrebstumoren als diejenigen, die der Placebo-Gruppe angehörten.

28 pro 10.000 Teilnehmerinnen pro Jahr wiesen in der Östrogen-Gruppe Brustkrebserkrankungen auf - im Gegensatz zu 34 Fällen pro 10.000 Teilnehmer pro Jahr in der Placebo-Gruppe.

Allerdings, so relativieren Stefanick und ihre Kollegen, ist die Differenz - sechs pro 10.000 - statistisch nicht signifikant. Der Unterschied könne also auch Zufall sein. Was die Forscher aber belegt haben wollen: Die Östrogen-Therapie steigert nicht das Brustkrebsrisiko.
... doch mehr abnormale Mammographie-Aufnahmen
Die neue Analyse ergab zudem: Die Teilnehmerinnen, die Östrogen einnahmen, hatten in 50 Prozent der Fälle mehr abnormale Mammographie-Aufnahmen, die eine Nachuntersuchung forderten. In 33 Prozent der Fälle gab es mehr Brust-Biopsien.

Allerdings sei ein ungewöhnliches Mammogramm nicht notwendigerweise ein Zeichen für Krebs - wie die Studienergebnisse zeigten, schreiben die Forscher.

Bei den Frauen in der Östrogen-Gruppe traten allerdings eher größere Tumore auf, die sich auf die Lymphknoten ausbreiten könnten. So könnte das Östrogen laut Stefanick eher das Risiko der Entstehung der kleineren Tumore mindern - nicht das der großen.
Keine Pauschalverschreibung
Die Untersuchungen zeigten auch, dass der persönliche Hintergrund einer jeden Frau - die eigene Familiengeschichte betreffend die Krebsfälle - eine Rolle spielt.

Gab es "von Haus aus" ein erhöhtes Krebsrisiko, so waren es auch mehr Fälle bei der Einnahme von Östrogen - im Vergleich zu denen mit hohem Risiko und unter Einnahme des Placebo-Mittels.

Daher ist es auch von großer Bedeutung, eine individuelle Behandlung der Wechseljahres-Symptome zu finden - also keine Pauschalbehandlung.

[science.ORF.at, 12.4.06]
->   Marcia Stefanick, Stanford University
->   National Heart, Lung and Blood Institute
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01.01.2010