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Schlafentzug hemmt Langzeitgedächtnis  
  Wer regelmäßig schläft, kann sich besser an räumliche Eigenschaften seiner Umwelt erinnern. Das behaupten belgische Wissenschaftler, die das Erinnerungsvermögen von Probanden unter Schlafentzug untersucht haben.  
Die Forscher um Philippe Peigneux von der Universität Liège führten ihre Experimente allerdings nicht in der Wirklichkeit, sondern in den virtuellen Welten eines beliebten Computerspiels aus. Dabei fanden sie heraus, dass Schlafentzug zwar nicht die unmittelbare Orientierungsfähigkeit beeinträchtigt, sehr wohl aber die Bildung des räumlichen Langzeitgedächtnisses.
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Die Studie "Tested Through a Video Game, Sleep Reorganizes Spatial Memories" von Pierre Orban et al. erscheint zwischen 17. und 21.4.06 auf der Website der "Proceedings of the National Academy of Sciences".
->   Studie (sobald online)
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Hippocampus: Aus Kurzzeit- wird Langzeitgedächtnis
Wenn es um das Gedächtnis geht, kommt man im Gehirn nicht am so genannten Hippocampus vorbei: Diese Hirnregion bestimmt nämlich, welche Informationen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis übergehen.

Personen, die eine Schädigung beider (links und rechts gelegenen) Hippocampi aufweisen, leiden unter einer besonderen Form der Amnesie: Sie können sich zwar an solche Ereignisse erinnern, die vor dem Zeitpunkt ihrer Gehirnverletzung stattgefunden haben, jüngere Ereignisse können sie nicht länger behalten - ihnen ist der Weg ins Langzeitgedächtnis förmlich versperrt.

Das gilt beispielweise auch für die Aufnahme räumlicher Informationen. Unmittelbar nach der Wahrnehmung werden diese bei gesunden Personen aus dem Hippocampus abgerufen, nach wiederholtem Einprägen "wandern" sie in das so genannte Striatum und werden dort Teil eines eher automatisierten Orientierungsmodus.
->   Hippocampus - Wikipedia
Zocken unter Schlafentzug
12 männliche und 12 weibliche Probanden im Durchschnittsalter von 23,5 Jahren dienten Philippe Peigneux und seinen Mitarbeitern als Untersuchungsobjekte, welche sich im Ego Shooter Videospiel Duke Nukem 3D orientieren mussten.

Während die Vergleichsgruppe nach dem Videospieltraining die folgenden drei Nächte wie gewohnt zu Hause schlief, blieb die Testgruppe die erste Nacht unmittelbar nach dem Training im Labor - und zwar wach.
->   Duke Nukem 3D (3D Realms Entertainment)
Test: Hirnstrommessungen bei Zielsuche
In der Testreihe mussten die Probanden unmittelbar nach dem Training sowie drei Tage später möglichst effizient zehn verschiedene Zielorte in der virtuellen Welt von Duke Nukem 3D erreichen. Währenddessen wurde die Hirnaktivität aller Probanden mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) gemessen.

Bei der offensichtlichen Orientierungsfähigkeit waren zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede feststellbar. Anderes sahen die Wissenschaftler jedoch, als sie die Abbildung der Hirnaktivitäten analysierten.
->   fMRT - Wikipedia
Langzeitgedächtnis leidet unter Schlafmangel
Mittels der Hirnstrommessungen konnten die Forscher feststellen, dass regulärer Schlaf nach dem Training die Aktivität des Striatum steigert. Die Testgruppe, welche die Nacht nach dem Training nicht schlafen durfte, zeigten deutlich niedrigere Aktivitäten im Striatum als die Vergleichsgruppe. Eine solche Aktivität zeige, dass Erinnerungen "aus Gewohnheit" abgerufen werden, schreiben die Forscher in ihrer Studie.

Dagegen lasse eine vermehrte Aktivität des Hippocampus darauf schließen, dass die räumliche Erinnerung durch eine Aneinanderreihung vieler verschiedener Einzeleindrücke geschieht. Peigneux und sein Team folgern aus den Ergebnissen ihrer Untersuchung, dass Schlaf die Überleitung von Informationen in das Striatum fördere, welches die räumlichen Eindrücke langfristig speichert.

[science.ORF.at, 18.4.06]
->   Centre de Recherches du Cyclotron (Universität Liège, Belgien)
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->   Zu viel Wissen schadet der Erinnerung (17.05.05)
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01.01.2010