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Experte: Demenzen für Europa großes Problem  
  Die USA und Europa stehen vor einer ungeheuren gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderung: Alzheimer-Krankheit und andere Hirnleistungsstörungen, warnt ein Wiener Experte.  
"Das ist 'die Sache' für Europa und die USA. Das ist für Europa das, was Aids in Afrika ist", sagt jetzt Oberarzt Georg Psota vom Zentrum für Alterspsychiatrie der Psychosozialen Dienste (PSD) in Wien. Alle vorhandenen Therapien müssten möglichst früh angewendet werden.
100.000 Demenzkranke in Österreich
Die düstere Situation laut Psota: Derzeit gibt es in Österreich rund 100.000 Demenzkranke. Pro Jahr kommen 20.000 dazu.

Der Fachmann vom Gerontopsychiatrischen Zentrum: "60 Prozent der Demenzfälle sind Morbus Alzheimer. Vor dem 65. Lebensjahr ist das eine Seltenheit. Doch eine Frau mit 65 hat ein 35-prozentiges Risiko, daran zu erkranken, ein 65-jähriger Mann ein 16-prozentiges Risiko."
Unter 75- bis 95-Jährigen fünf Prozent erkrankt
Die rasante Zunahme des Anteils der hoch Betagten an der Bevölkerung wird die Situation dramatisch verschlechtern, so nicht eine echte Alzheimer-Prophylaxe bzw. hoch wirksame Therapien entdeckt werden.

Psota: "In der Altersgruppe der 75- bis 95-Jährigen sind fünf Prozent demenzkrank. Bei den über 80-Jährigen ist es jeder Vierte und bei den über 90-Jährigen jeder Dritte."
Schwache Betreuung
Hinzu kommt, dass das fragile Netzwerk zur Betreuung der Betroffenen durch den Trend zur Kleinfamilie bzw. zum Single-Dasein immer schwächer wird.

Der Psychiater: "Vier von fünf Dementen leben in Österreich derzeit zu Hause. Drei von vier Demenzkranken werden von Familienangehörigen betreut. Doch zwei von drei betreuenden Angehörigen sind selbst über 60 Jahre alt."
Unterschiede zwischen Stadt und Land
Das wären nur Durchschnittswerte, in Großstädten sei die Situation bereits wesentlich anders als auf dem Land. Und wenn eine Erhebung in München ergeben habe, dass die häufigste Lebensform der Menschen dort bereits der Ein-Personen-Haus mit Katze sei, könne sich die Gesellschaft in Zukunft auf massive Probleme bei der Betreuung der Demenz-Patienten vorbereiten.
Medikamente, Aktivierung und Angehörigenarbeit
In der Betreuung der von Morbus Alzheimer Betroffenen gibt es drei gleich starke Säulen: Medikamente, Aktivierung und Angehörigenarbeit.

Entgegen immer wieder auftauchenden Meldungen ist Psota klar für eine Verwendung auch aller zur Verfügung stehenden Medikamente wie die so genannten Acetylcholinesteras-Hemmer: "Eine Zeit lang gelingt damit eine Verbesserung, die etwa 24 Wochen bis ein Jahr anhält. Ein Drittel der Patienten sprechen gut auf die Therapie an, andere sind mäßige bis keine 'Responder'."

Auch mit dem ursprünglich für andere Anwendungsgebiet entwickeltem Medikament "Memantine" ließe sich eine Verschlechterung der psychiatrischen Symptome wie Agitiertheit und Aggressionen von Alzheimer-Patienten verringern. Das helfe wiederum den oft buchstäblich ausbrennenden Angehörigen.
Nicht auf Kosten der Patienten sparen
Bei Ausgaben des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger von knapp elf Milliarden Euro im Jahr 2002 und Ausgaben für Medikamente für Demenzpatienten von rund zwölf Millionen Euro solle man nicht auf Kosten der Patienten und ihrer Angehörigen sparen.

Psota: "Die Familien der Demenzpatienten tragen sowieso zwei Drittel der Kosten."

[science.ORF.at/APA, 24.4.06]
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01.01.2010