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Chikungunya-Virus: Ausbreitung nach Europa unwahrscheinlich  
  Galt das Chikungunya-Fieber lange als harmlos und unbedeutend, so sind nun verstärkt Infektionen sowie Todesfälle auf einigen Inseln im Indischen Ozean aufgetreten. Rund 220.000 Infektionen mit dem vom Tigermoskito übertragenen Virus meldet die französische Insel Reunion, 174 Menschen sind an der Erkrankung dort bislang verstorben. Die Epidemie ist laut Experten allerdings wieder auf dem Rückzug.  
Ausbrüche wurden vor allem von Reunion sowie von Mauritius, Mayotte und den Seychellen gemeldet. Auch das indische Festland, vor allem die Südprovinzen, sind seit einiger Zeit betroffen. Dort gab es Meldungen zufolge rund 20.000 Fälle.
"Der gebeugte Mann" bedeutet das Wort "Chikungunya" auf Kisuaheli. Das von verschiedenen Moskitoarten übertragene Virus bekam diesen Namen, weil es starke Schmerzen in den kleinen Gelenken, etwa den Fingerknöcheln verursacht, die den Betroffenen dazu zwingen, sich gekrümmt zu halten.
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Der Artikel "Virus turns killer as insect host fans out" ist in der Zeitschrift "New Scientist" (22. April 2006, S. 14) erschienen.
->   Abstract
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Mutation möglich, ...
Von 174 Todesfällen auf Reunion spricht nun erstmals ein Artikel in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "New Scientist" - sie sollen mit dem Virus direkt in Verbindung stehen.

"Wir vermuten, dass die Bevölkerung auf Reunion über keinerlei Immunität gegen das Virus verfügt, was die extrem rasche Verbreitung und die Schwere der Erkrankungen erklären könnte", wird Herve Zeller, Experte für Insekten-Viren am Pasteur Institut in Lyon, zitiert.

Möglich sei allerdings auch, dass das Virus mutiert ist: "Die Chikungunya-Gensequenz aus Reunion 2006 unterscheidet sich von anderen Chikungunya-Viren, die wir bis dato untersucht haben", erläutert der Remi Carrel von der University of the Mediterranean in Marseille, Frankreich, gegenüber dem "New Scientist".
... aber unwahrscheinlich
Dieser Annahme will der österreichische Tropenmediziner Herwig Kollaritsch nicht folgen. In einem Gespräch mit science.ORF.at stellt Kollaritsch fest, dass eine Sterberate von einem Promille bei einer hoch fieberhaften Viruserkrankung eher gering ist.

An der Virusinfektion verstorben seien außerdem ausschließlich Menschen mit einem schon vor der Infektion sehr geschwächten Allgemeinzustand.
Geringe Gefahr der Ausbreitung in Europa
An eine Ausbreitung der Virusinfektion in Europa glaubt Kollaritsch ebenfalls nicht: "Es gibt zwar einige Gebiete in Europa, in denen der Tigermoskito heimisch ist, wie etwa die Camargue in Frankreich, allerdings könnte sich diese Infektion dort nur im Hochsommer verbreiten."

In Österreich besteht mit Sicherheit keine Gefahr, hält der Tropenmediziner weiter fest.
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Chikungunya-Fieber
Übertragen wird das Virus vom Tigermoskito (Aedes albopictus), der bisher vor allem im südostasiatischen Raum sowie in geringem Ausmaß in den südlichen Bundesstaaten der USA, in Zentral- und Südamerika und in Teilen Europas (Albanien, Spanien, Italien, Frankreich und Belgien) verbreitet war. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis zwölf Tage. Üblicherweise heilt eine Infektion mit dem Chikungunya-Virus nach einigen Tagen wieder ab. Die Gelenksbeschwerden können aber bis zu einem Jahr nach einer Infektion anhalten. Laut Auskunft von Herwig Kolleritsch ist ein Impfstoff erst im Experimentalstadium.
->   Informationen zu Tropenkrankheiten
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Experte rät: Reisen verschieben
Von einer Reise in die betroffenen Gebiete rät Kollaritsch derzeit ab: "Wir haben mit den Reisebüros gesprochen. Umbuchungen auf andere Destinationen oder ein späterer Reiseantritt sind problemlos möglich." Eine offizielle Reisewarnung des Außenministeriums liegt allerdings nicht vor.

Wer seine Reise nicht umbuchen will, sollte auf jeden Fall dafür sorgen, ausreichend Insektenschutz für Haut und Kleider sowie ein Moskitonetz mit zu nehmen.
Bei Gelenksschmerzen zum Arzt
In Österreich wurde bis dato eine Chikungunya-Infektion bei einem Reiserückkehrer aus Reunion diagnostiziert und behandelt. Ein zweiter Verdachtsfall konnte nicht bestätigt werden.

Treten nach einer Reise auf die Inseln im Indischen Ozean oder in die Südprovinzen Indiens Symptome wie Fieber, starke Schmerzen in den kleinen Gelenken, Kopfschmerzen, Schwindel und Hautausschlag auf, sollte an eine Infektion mit dem Virus gedacht und ein Arzt aufgesucht werden.
Wirkstoff gegen Virus gefunden?
Einen Wirkstoff gegen das Virus wollen jetzt französische Forscher gefunden haben. Pressemeldungen zufolge haben der Virologe Xavier de Lambarellie und sein Team dazu ein Molekül benutzt, dass laut Aussagen der Forscher "bereits von vier Millionen Menschen zur Parasitenbekämpfung genutzt wird".

Den Namen der Substanz wollen die Virologen aber noch nicht verraten, um einen Ansturm auf die Apotheken zu verhindern. Außerdem steht die klinische Erprobung des Moleküls gegen das Chikungunya-Virus noch aus.

Sabine Fisch, Ö1-Wissenschaft, 24.4.06
->   Artikel über "Neuen Wirkstoff gegen Chikungunya"
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Chikungunya-Fieber: Erster Fall in Österreich (22.3.06)
->   Global-Strategie gegen fremde Tier- und Pflanzenarten (11.7.01)
 
 
 
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01.01.2010