News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Gravitationsfeld erstmals künstlich hergestellt?  
  Die Gravitation ist eine Eigenschaft von Massen und kann nicht im Labor hergestellt werden, lautet ein Dogma der Physik. Experimente eines österreichischen Physikers weisen nun darauf hin, dass das Fernziel künstlicher Schwerkraft und Schwerelosigkeit dennoch möglich sein könnte - zumindest theoretisch.  
Martin Tajmar, der in den Austrian Research Centers (ARC) das Geschäftsfeld für Weltraum-Antriebe leitet, hat Versuche mit rotierenden Supraleitern durchgeführt und dabei geringfügige Gravitationseffekte gemessen, die der Allgemeinen Relativitätstheorie widersprechen.
...
Die Studie "Experimental Detection of the Gravitomagnetic London Moment" von M. Tajmar et al. erschien auf dem Preprintserver arXiv.org und wurde von den Autoren bei der Zeitschrift "Physica C" eingereicht.
->   Abstract
...
Zwei Arten von Feldern
Wer jemals mit laufendem Autoradio durch einen Tunnel gefahren ist und dabei den Empfang verloren hat, weiß: Elektromagnetische Felder können relativ leicht abgeschirmt werden. Ganz im Gegensatz zu Gravitationsfeldern: Der Schwerkraft der Erde kann man sich nicht entziehen.

Selbst bei den berühmten Parabelflügen, mit denen Weltraumagenturen den Zustand der Schwerelosigkeit simulieren, wirkt die Gravitation weiterhin. Es scheint nur so, als wäre man in dieser Situation schwerelos, weil die Kraft nicht spürbar ist, die der feste Boden der Erde der Gravitation entgegensetzt.

Was die Herstellung von Feldern betrifft, sieht die Sache ähnlich aus. Technisch hergestellte elektromagnetische Felder sind Teil unseres Alltags, zu ihrer Herstellung bedarf es keiner ausgeklügelten Apparaturen - ein stromdurchflossener Leiter genügt beispielsweise. Schwerefelder können hingegen nicht im Labor produziert werden, sie existieren lediglich in Anwesenheit von massiven Körpern.
->   Feld - Wikipedia
Rätseln über zu schwere Elektronen
Elektromagnetisches und Gravitationsfeld scheinen also getrennt: Bei rotierenden Körpern könnte es dennoch eine Verbindung geben, wie der österreichische Physiker Martin Tajmar vermutet.

Das kam so: Vor einigen Jahren wurden Experimente mit Supraleitern durchgeführt. Lässt man diese rotieren, produzieren sie plötzlich ein Magnetfeld, wobei die Stärke des Magnetfeldes auch von der Masse bestimmter Elektronenpaare des Supraleiters abhängen sollte.

Versuche, in denen dieser Effekt mit möglichst großer Genauigkeit gemessen wurde, förderten jedoch widersprüchliche Daten zutage: Den Messungen zufolge waren die Elektronen schwerer als es die Theorie voraussagte und man hatte letztlich keine Erklärung dafür.
Gravitationseffekt bei Supraleitern?
Martin Tajmar entwickelte daher im Jahr 2003 die Hypothese, dass bei rotierenden Supraleitern ein kleiner Gravitationseffekt auftreten könnte, der für die gemessene Diskrepanz verantwortlich ist (Physica C, Bd. 385, S. 551).

Zur Überprüfung dieser Vermutung entwickelte Tajmar in den letzten Jahren ein Experiment, bei dem eine aus dem Metall Niob bestehende Scheibe auf minus 264 Grad Celsius abgekühlt wurde, um Strom widerstandslos zu leiten. Im nächsten Schritt beschleunigte Tajmar die Scheibe auf 6.500 Umdrehungen pro Minute und maß eventuelle Gravitationseffekte in direkter Umgebung des Supraleiters.
Erste Versuche bestätigen Hypothese
Er wurde fündig: "Wir konnten es zuerst gar nicht glauben, und wiederholten das Experiment immer wieder", so Tajmar. Mittlerweile wurden 250 Messungen durchgeführt und wiederholt geprüft, ob andere Einflüsse oder Fehler die Resultate verfälscht haben könnten. Mittlerweile ist sich der Physiker aber seiner Sache ziemlich sicher, hat seine Arbeit bereits bei einer Tagung der ESA präsentiert und bei der Fachzeitschrift "Physica C" eingereicht.

Dennoch bleibt er sehr vorsichtig: "Bei dieser geringen Signalgröße ist ein Apparatur-Effekt noch nicht hundertprozentig auszuschließen. Wir warten nun auf die Bestätigung durch andere Wissenschaftler und werden unsere Apparatur weiter verbessern, um die Signalstärke zu verstärken. Natürlich sind wir uns bewusst, dass ein Effekt, der 30 Größenordnungen über der Vorhersage von Einsteins Relativitätstheorie liegt, sehr genau vermessen werden muss, um ihn schlussendlich zu bestätigen."
Vision: Schwerelosigkeit im Labor
Eine solche Bestätigung könnte den Weg zu einer völlig neuen Technologie ebnen. Das derzeit erzeugte Gravitationsfeld ist zwar äußerst gering, seine Größe hängt aber nur von der Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe ab.

Theoretisch sollte es möglich sein, denkt Tajmar in die Zukunft, eine Anlage zu bauen, die ein Gravitationsfeld mit einer Beschleunigung von einem g (der Erdbeschleunigung) erzeugt. Richtet man diese Kraft so aus, dass sie der Erdanziehung entgegenwirkt, hätte man einen Raum mit Schwerelosigkeit. "Das wäre dann aber nicht mehr ein Experiment in einem Zimmer, wie derzeit, sondern eine riesige Forschungsanlage", soTajmar.

[science.ORF.at/APA, 26.4.06]
->   Website von Martin Tajmar
->   Schwerelosigkeit - Wikipedia
->   Antigravitation - Wikipedia
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010