News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Expertin: Atomstrom kein Mittel gegen Klimawandel  
  Mit der häufig geäußerten Ansicht, dass eine verstärkte Nutzung von Atomenergie die vom Menschen verursachte Klima-Erwärmung verringern könnte, räumt die Meteorologin Helga Kromp-Kolb auf.  
Der Aus- bzw. Neubau von Reaktoren sei weder nachhaltig noch kurzfristig wirksam, sagte die Wissenschaftlerin von der Universität für Bodenkultur in Wien (Boku) bei einem Vortrag am Mittwochabend.
Erwärmung eindeutig auf Menschen zurückzuführen
Dass die Nutzung von fossilen Energieträgern das Klima massiv verändert, steht für Kromp-Kolb außer Frage. Aussagen, es habe ja auch in der Vergangenheit ohne Zutun des Menschen stets Schwankungen der globalen Temperaturen gegeben, lässt die Expertin nicht gelten.

"Wir wissen, dass der Gehalt des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre während Warmphasen und Eiszeiten in den vergangenen 400.000 Jahren zwischen 180 und 280 ppm (parts per million, Anm.) schwankte, derzeit sind es aber 380 ppm", so Kromp-Kolb.

Entsprechend seien die Temperaturen in den vergangenen 150 Jahren um 0,6 bis 0,8 Grad angestiegen.
...
Wissenschaftlerin des Jahres 2005
Die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, Professorin für Meteorologie am Department Wasser, Atmosphäre und Umwelt der Universität für Bodenkultur Wien und dort auch Vorsitzende des Senats, wurde vor kurzem zur "Wissenschaftlerin des Jahres 2005" gewählt.
->   Mehr dazu (24.1.06)
...
Soziale Spannungen sind zu befürchten
Die Expertin befürchtet, dass vor allem Entwicklungsländer die Leidtragenden des Klimawandels sein werden. Als ein schlagendes Beispiel nannte sie etwa Uganda, wo der heute im großen Stil praktizierte Kaffeeanbau schon in wenigen Jahrzehnten praktisch unmöglich sein wird.

"Im Gegensatz von vor Jahrtausenden können Menschen im Falle eines Klimawandels nicht mehr einfach auswandern und andere, geeignetere Weltgegenden besiedeln", betonte Kromp-Kolb.

In unserer dicht besiedelten Welt wird der Klimawandel daher unweigerlich zu Spannungen, vermehrtem Terror und Krieg führen.
Dramatisch wird es ab Plus zwei Grad
Dass der Ausstoß von Treibhausgasen und damit der globale Temperaturanstieg in absehbarer Zeit gestoppt werden kann, daran glaubt niemand mehr.

"Wir müssen aber alles daran setzen, eine 'gefährliche Klimaänderung' zu vermeiden", ist die Expertin überzeugt und sieht sich damit in Übereinstimmung mit der Meinung vieler Regierungen.

Als Richtwert, ab dem es wirklich dramatisch wird, gilt unter Experten derzeit ein Temperaturanstieg von insgesamt zwei Grad.
Leistung von Atomenergie wird sinken
Um die Freisetzung von fossilem Kohlendioxid zu vermeiden, möchte eine zunehmende Zahl von Experten und Entscheidungsträgern die Atomenergie forcieren, schließlich gilt diese Technologie als - weitgehend - klimaneutral.

"Wollen wir eine Erwärmung von zwei Grad nicht überschreiten, bedarf es allerdings rascher Maßnahmen", konterte Kromp-Kolb. Was die Atomenergie weltweit angeht, ist für die kommenden Jahre jedenfalls eine Abnahme der Leistung zu erwarten.
Kraftwerke zu alt, Neubau dauert zu lange
Die Kraftwerke sind derzeit im Durchschnitt 22 Jahre alt und das bei prognostizierten bzw. genehmigten Betriebsperioden von 30 bis 40 Jahren. Der Höhepunkt der weltweiten Energieproduktion aus Kernkraftwerken sei daher erreicht oder bereits überschritten.

Auch durch Neuerrichtungen könne dieses Defizit jedenfalls kurzfristig nicht aufgefangen werden. "Vom Baubeginn bis zur Inbetriebnahme eines Atomkraftwerkes dauert es zwischen sechs und zehn Jahre, die Planungen sind da noch nicht eingerechnet", sagte die Meteorologin.
Begrenzter Uran-Vorrat und ungelöste Sicherheitsfragen
Abgesehen von der kurzfristigen Verknappung der weltweiten Leistung, ist die Atomkraft für Kromp-Kolb auch keine nachhaltige Lösung. So seien Uran-Reserven jedenfalls begrenzt, irgendwann käme es zu einer ähnlichen Situation wie beim Erdöl.

Weiters müsse überlegt werden, dass jedes Land, das Atomkraftwerke betreibt, auch Atombomben bauen kann. Nicht zuletzt seien Sicherheitsfragen und das Problem einer Endlagerung von Atommüll alles andere als gelöst.

[science.ORF.at/APA, 27.4.06]
->   Helga Kromp-Kolb, Boku Wien
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema Klimaerwärmung
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010