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Auch Vögel sind grammatikalisch begabt  
  Von wegen "Spatzenhirn": Vögel sind offenbar in der Lage, Tonfolgen einer grammatikalischen Struktur zuzuordnen. US-Forschern zufolge können sie zwischen gezwitscherten Schachtelsätzen und einfachen Satzfolgen unterscheiden.  
Dies berichtet ein Team um Tim Gentner von der University of California in San Diego. Mit dem Nachweis dieser linguistischen Kompetenz scheint nun eine weitere Barriere zwischen Mensch und Tierreich zu wackeln.
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Die Studie "Recursive syntactic pattern learning by songbirds" von Timothy Q. Gentner et al. erschien in "Nature" (Bd. 440, S. 1204-7; doi:10.1038/nature04675).
->   Abstract
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Schachtelsätze durch Rekursion
In den Versuchen der US-Forscher geht es um die so genannte Rekursion, die wiederholte Anwendung grammatikalischer Regeln, die zur Bildung von verschachtelten Sätzen führt. Bislang meinte man, dass das Erkennen einer solchen Sprachstruktur einzigartig für den Menschen sei.

Diese These vertrat beispielsweise der prominente Linguist Noam Chomsky in einem vor vier Jahren veröffentlichten Aufsatz (Science, Bd. 298, S. 1569).
Versuch: AABB ist nicht ABAB
Tim Gentner und Kollegen trainierten nun Stare, mit ihren Schnäbeln auf Knöpfe zu picken, sobald ein bestimmtes, verschachteltes Muster von Vogelgezwitscher zu hören war. Dabei handelte es sich um Phrasen der Form AnBn, bei denen neue "Sätze" in bestehende eingefügt werden und so ein komplexes Muster bilden (beispielsweise AABB, AAABBB etc.).

Wurde den Vögeln hingegen ein anderes Muster vorgespielt, das auf nicht-rekursive Weise gebildet wird ((AB)n, beispielsweise ABAB etc.) sollten die Vögel nicht reagieren. Nach dem Training bewältigten neun der elf Vögel die gestellte Aufgabe.

Das Experiment zeige, dass Sprache und das Erkenntnisvermögen von Tieren weitaus komplizierter ist, als Forscher jemals angenommen haben, merkte der Kognitionswissenschaftler Jeffrey Elman an. Es zeige auch, dass es kein "einzelnes Wundermittel" gebe, das den Menschen vom Tier unterscheide, so Elman.
Das typisch Menschliche: JJKK
Gary F. Marcus betonte hingegen in einem Kommentar (Nature 440, S. 1117), dass man auch die Fähigkeit zur Generalisierung berücksichtigen müsse. Stare könnten den Versuchen zufolge das gelernte Muster abstrahieren und auf bereits bekannte musikalische Phrasen anwenden.

Menschen seien hingegen imstande, das erlernte Muster auf völlig fremdartige Vokabel auszuweiten. Entsprechend der oben verwendeten Kürzelsprache wäre das etwa: CCCDDD oder JJKK.

[science.ORF.at, 27.4.06]
->   Website von Tim Gentner
->   Star - Wikipedia
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01.01.2010