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EU lässt neues Notfall-Antibiotikum zu  
  Die Europäische Kommission hat erstmals seit sechs Jahren wieder ein neues Antibiotikum zugelassen. Die Substanz "Tigecycline" soll vor allem gegen resistente Keime eingesetzt werden.  
"Für uns ist das ein Reserve-Antibiotikum für schwierig zu beherrschende Infektionen", erklärte dazu Christoph Wenisch vom Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital gegenüber der APA.
Neue Antibiotika gesucht
Trotz weltweit sich immer weiter verbreitender gegen die herkömmlichen Antibiotika resistenter Bakterien sind die Pipelines der Pharmakonzerne bei den Antibiotika in den vergangenen Jahren immer mehr "ausgetrocknet".

Tigecycline ist somit das vorerst letzte Antibiotikum, das von einem internationalen Pharmakonzern (Wyeth) entwickelt wurde. Sonst sind die Entwicklungsabteilungen der Konzerne auf diesem Gebiet derzeit leer. Es handelt sich um ein Antibiotikum, das per Infusion verabreicht wird und speziell gegen resistente Spitalskeime eingesetzt werden soll.
Verwandtschaft mit Tetrazyklin
Tigecycline ist mit dem seit Jahrzehnten bekannten Tetrazyklin verwandt. Das neue Antibiotikum wirkt auch gegen Bakterien, die eine mehrfache Resistenz gegen unterschiedliche Antibiotika aufweisen. In Europa wird das Medikament in der neuen Biotech-Anlage von Wyeth in Grange Castle bei Dublin in Irland produziert.

In den USA wird geschätzt, dass Infektionen mit resistenten Bakterien in Spitälern pro Jahr kosten von bis zu fünf Mrd. US-Dollar (4,14 Mrd. Euro) verursachen. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Neuzulassungen für Antibiotika um mehr als die Hälfte abgenommen, wenn man den Zeitraum zwischen 1983 und 1987 bzw. 1998 bis 2002 zum Vergleich hernimmt.
Nur für den Spitalsgebrauch
"Das neue Medikament ist das derzeit am breitesten wirksame Antibiotikum. Es wird bei komplizierten Haut- und Weichteilinfektionen und bei schwierigen Infektionen im Bauchraum (zum Beispiel bei Entzündungen des Blinddarms oder Darmperforationen, Anm.) eingesetzt werden", sagte der Wiener Mediziner Christoph Wenisch. B

ei dem Medikament handelt es sich um ein Arzneimittel, das ausschließlich für den Spitalsgebrauch gedacht ist. Es muss per Infusion verabreicht werden. Die Erstdosis beträgt 100 Milligramm, dann wird die Behandlung zwei Mal täglich mit je 50 Milligramm fortgesetzt.
Klinische Tests: Hohe Heilungsrate
Der Wirkstoff ist der erste aus der Reihe der so genannten Glycylcycline. Auch zwei verschiedene Resistenzmechanismen von Bakterien - "Pumpen", welche den Wirkstoff schnell aus der Zelle transportieren und der Schutz von Zielen der Antibiotika (Ribosomen, Anm.) - können die Wirkung des neuen Medikaments offenbar nicht abschwächen oder ganz hemmen.

In klinischen Studien konnte mit dem Medikament eine Heilungsrate bei gefürchteten methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-infektionen von knapp 80 Prozent erreicht werden. Damit entspricht die Wirksamkeit jener von Vancomycin und Aztreonam in Kombination, was bisher als ziemlich letzter Ausweg in solchen Fällen galt. Das Arzneimittel ist in den USA schon seit fast einem Jahr zugelassen.

[science.ORF.at/APA, 2.5.06]
->   Tigecycline - medicinenet
->   Antibiotikum - Wikipedia
->   Mehr zu Antibiotika im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010