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Röhrenwürmer: Symbiose beginnt als Infektion  
  Röhrenwürmer und ihre symbiontischen Bakterien stehen in der Tiefsee extremste Bedingungen gemeinsam durch. Diesem Zusammenleben geht aber ein weniger friedliches Zusammenfinden voraus: eine Infektion.  
Beim Zusammenleben von verschiedenen Arten zum beiderseitigen Nutzen - gemeinhin Symbiose genannt - ist der Anfang nicht immer ganz leicht: Wie die Wiener Meeresbiologinnen Andrea Nussbaumer und Monika Bright von der Universität Wien feststellten, kommt es bei der Infektion von jungen Röhrenwürmern mit ihren dringend benötigten symbiontischen Bakterien zu erheblichen Gewebsschäden.
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Der Artikel "Horizontal endosymbiont transmission in hydrothermal vent tubeworms" ist in der Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 441, Nr. 7091, S. 255, 18. Mai 2006) erschienen.
->   Artikel
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Symbiose unter extremen Bedingungen
Bild: Andrea Nussbaumer
Die Biologinnen erforschen seit Jahren die Lebensgemeinschaften um heiße Quellen in bis zu 2.500 Metern Meerestiefe. Besonders interessant sind Gemeinschaften von verschiedenen Tierarten, die an den extremen Lebensraum angepasst sind.

Eine solche so genannte Symbiose besteht aus Riesen-Röhrenwürmern (Vestimentifera) und Bakterien. Die Mikroben leben in einem sackartigen Organ im Inneren des Wurms, sie bezahlen für das gemütliche Heim mit Nahrung für den Wirt.

Im Gegensatz zu anderen Lebewesen können die Bakterien nämlich aus den heißen Quellen ausströmende Chemikalien - vor allem Schwefelwasserstoff - als Energiequelle nutzen und damit etwa Zucker aufbauen.
Jungwürmer werden infiziert
Bis jetzt war unklar, wie die jungen Würmer zu den lebenswichtigen Bakterien kommen. Die Tiere vermehren sich nämlich über frei schwimmende Larven und diese sind nachweislich frei von Bakterien.

Anhand von elektronenmikroskopischen Aufnahmen haben die Forscherinnen das Mysterium nun geklärt. Ein an einer heißen Quelle frisch angesiedelter und noch bakterienfreier Jungwurm wird von den Mikroben über die Haut infiziert.

"Dabei kommt es auch zu Gewebeschäden wie bei einer pathogenen Infektion", sagte Nussbaumer der APA.
Erst nach "Ankunft" friedliches Miteinander
Erst wenn es dem Wurm zu viel wird, bekämpft sein Immunsystem den Erreger in der Haut. Er ist aber schon im Inneren angelangt und besiedelt dort jenen Sack - das so genannte Trophosom -, das der Wurm eigens für seine Bakterien entwickelt hat.

Nun kann die friedliche Phase der Symbiose beginnen.
"Späte" Infektion hat seinen Sinn
Nussbaumer und Bright haben auch eine Erklärung für die seltsame Infektion. Würde jeder Wurm von den Eltern auch gleich die Bakterien mitbekommen, wäre eine Verbreitung der Art relativ schwierig.

Die sprudelnden Tiefseequellen sind nämlich einsame Inseln in einer ansonsten lebensfeindlichen Umgebung. Wird ein Jungwurm, genauer seine Larve, an eine andere Quelle vertragen, so braucht er genau jenen Bakterienstamm, der an die herrschende Zusammensetzung an Chemikalien angepasst ist.

Und diese Bakterien bekommt er am besten von den am Standort etablierten Würmern.

[science.ORF.at/APA, 18.5.06]
->   Monika Bright, Dept. of Marine Biology
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01.01.2010