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Schulfreunde: Muttersprache nicht entscheidend  
  Die Muttersprache spielt bei der Wahl von Schulfreunden eine geringere Rolle als das Geschlecht oder der Besuch der gleichen Schulklasse, ergab eine Untersuchung von Wiener Psychologinnen.  
Zuwandererkinder wählen demnach im Vergleich zu Schülern mit deutscher Muttersprache mehr Freunde aus ihnen "fremden" ethnischen Gruppen. Dies haben Dagmar Strohmeier, Dunja Nestler und Christiane Spiel von der Psychologie-Fakultät der Universität Wien herausgefunden.
Untersuchung an Volksschülern
Für ihre Studie untersuchten die Psychologinnen mehr als 200 Kinder verschiedenster kultureller Zugehörigkeit in Wiener Volksschulklassen (vierte Schulstufe).

Die Kinder wurden gebeten, mit Hilfe einer "Freundesliste" Name, Geschlecht, Schulklassenzugehörigkeit und Muttersprache aller Freunde anzugeben, den besten Freund aus dieser Liste auszuwählen sowie die Qualität der besten Freundschaft einzuschätzen.

Etwas mehr als ein Drittel aller Kinder hatten Deutsch als Muttersprache, jeweils etwas mehr als 20 Prozent Türkisch, eine Sprache aus dem ehemaligen Jugoslawien bzw. eine andere Sprache.
Freundschaften über Sprachgrenzen hinweg
Im Vergleich zu Studien aus anderen Staaten stellten die Autorinnen eine geringere "Homophilie" fest - mit diesem Begriff wird die Bevorzugung von Personen, die einem ähnlich sind, ausgedrückt. "Ungefähr nach dem Motto 'Gleich und gleich gesellt sich gern'", so Strohmeier.

Zwar bestand der Freundeskreis von Kindern mit deutscher Muttersprache zu 76 Prozent aus Kindern mit ebenfalls deutscher Muttersprache, Türken wählten sich dagegen nur zu 56 Prozent Freunde aus der gleichen ethnischen Gruppe, Kinder aus Ex-Jugoslawien zu 50 Prozent.
Hauptfaktoren: Geschlecht und Klassenzugehörigkeit
Für Strohmeier ist es ein "Zeichen von Integration, wenn man bereit ist, mit Personen aus anderen ethnischen Gruppen soziale Beziehungen einzugehen".

Analysiere man dazu noch die von den Kindern als beste Freunde angegebene Person, zeige sich generell, dass die kulturelle Zugehörigkeit bei der Auswahl eine geringere Rolle spielt als andere Faktoren: So waren 90 Prozent der besten Freundschaften gleichgeschlechtlich und 75 Prozent der besten Freunde aus der gleichen Schulklasse.

Nur 55 Prozent der besten Freunde hatten den gleichen kulturellen Hintergrund - laut Studie "ein eindrucksvoller Befund, weil er das Phänomen der kulturellen Homophilie hinterfragt". "Die Kinder wählen ihre Freunde aus dem gleichen Geschlecht bzw. der gleichen Schulklasse - egal wo sie jetzt herkommen", so Strohmeier.
Freundschaftliche Qualität und Freizeitverhalten
Weiteres Ergebnis der Studie: Die Qualität multikultureller Freundschaften ist gleich groß wie bei Freundschaften aus der gleichen kulturellen Gruppe.

Der einzige Unterschied betrifft das Freizeitverhalten: Kinder derselben kulturellen Gruppe besuchen einander häufiger zu Hause und treffen sich öfter außerhalb der Schule als Kinder zweier verschiedener Gruppen.

[science.ORF.at/APA, 19.5.06]
 
 
 
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01.01.2010