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Alte Schriften von Archimedes wieder lesbar gemacht  
  Mit Hilfe von Röntgenstrahlen konnten US-Forscher Erkenntnisse des Archimedes, dem bedeutenden griechischen Mathematiker aus der Antike, wiederfinden: Seine im zehnten Jahrhundert transkribierten Texte wurden über die Jahrhunderte "überschrieben" - doch nun sind die mathematischen Abhandlungen seit 800 Jahren erstmals wieder lesbar.  
Will Noel, Leiter des Projekts vom Walters Art Museum in Baltimore und sein Team nutzen dabei in Zusammenarbeit mit dem Stanford Synchrotron Radiation Laboratory die Röntgenfluoreszenzanalyse, ein Verfahren, das Objekte - ohne weitere Zerstörung - auf molekularer Ebene betrachtet.

So konnten sie im Fall des Archimedes auch durch die auf Pergament später aufgebrachten Texte und Bilder "hindurch spähen" und an die mathematischen Grundlagen gelangen.
Auf Ziegenpergament niedergeschrieben
Das Ziegenpergament soll Schlüsseldetails zu Archimedes mathematischer Arbeit tragen - so etwa die einzige bekannte griechische Abhandlung "Über schwimmende Körper" und bedeutende Kopien über die Herleitung seiner mathematischen Theoreme und dem Stomachion, berichtet die BBC auf ihrer Website.

Transkribiert wurden Archimedes Abhandlungen im zehnten Jahrhundert von einem unbekannten Schriftgelehrten.
Im 13. Jahrhundert "recycelt"
Bild: EPA
Das "Archimedes Palimpsest"
Der Bedeutung der Schriften wohl nicht bewusst, erlangte das Pergament drei Jahrhunderte später eine Neuverwertung: Der Mönch Johannes Myronas aus Jerusalem nutze das Manuskript, um ein Palimpsest anzufertigen - ein mehrfach beschriebenes Pergament.

Der Recycling-Prozess: Myronas kratzte den Originaltext herunter, um es erneut zu beschreiben, und teilte die Seiten in zwei Hälften, um ein Buch anfertigen zu können. Doch nicht nur Archimedes Texte, sondern auch andere philosophische Schriften sollten Platz machen für griechisch-orthodoxe Gebete, mit denen Myronas die gereinigten Pergamentseiten füllte.

Später, im 20. Jahrhundert, ergänzten Fälscher religiöse Goldbilder, um den Wert des Buchs zu steigern.

Daher wurde der Originaltext quasi komplett ausgelöscht - bis auf schwache Spuren der Tinte, die der Schriftgelehrte im zehnten Jahrhundert nutzte, um Archimedes Gedanken zu notieren.
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Archimedes Palimpsest
"Archimedes Palimpsest" wurde vor hundert Jahren von J. L. Heiberg entdeckt. Die längste Zeit des 20. Jahrhundert war es in privater Hand, ein Sammler überließ das Manuskript 1999 dem "Walters Art Museum" in Baltimore/Maryland.
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Eisen-Tinte als Spur
Die Tinte ist für die Forscher auch die Spur zu den mathematischen Grundsätzen: Mit optischen und digitalen Bildtechniken konnten bisher nur Teile des Werks wieder gefunden werden, große Teile des Texts blieben unerschlossen. Mit der Röntgenfluoreszenzanalyse können die Forscher die Materie auf molekularer und atomarer Ebene betrachten.

Der Clou: Die von dem Gelehrten verwendete Tinte enthielt Eisen, das heute noch aufzuspüren ist. Treffen die Röntgenstrahlen im Rahmen der Analyse nun auf ein Eisen-Atom, gibt dieses eine charakteristische Strahlung ab - es glüht. Zeichnet man das Glühen auf, so kann das Bild von dem Eisen im Buch rekonstruiert werden.
"Fax aus dem 3. Jahrhundert vor Christus"
Die "glühenden" Worte werden auf einem Computerbildschirm wiedergegeben - und machen so den Text von Archimedes zum ersten Mal seit 800 Jahren wieder lesbar. "Es ist, als würde man ein Fax aus dem dritten Jahrhundert vor Christus erhalten", so Noel gegenüber der BBC.

Doch die "Übertragungszeit" ist relativ hoch: Eine Seite kann in zwölf Stunden entziffert werden. Der Grund liegt in dem schlanken Strahlenbündel der Röntgenstrahlen, das über die Seite wandert - so breit wie ein menschliches Haar.

[science.ORF.at, 3.8.06]
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Live-Web-Cam
Das Exploratorium Science Museum in San Francisco bietet am 4. August, 7:00 Uhr (16:00 Ortszeit), die Möglicheit, das "Erscheinen" des Textes auf einer Live-Web-Cam mitzuverfolgen.
->   Details
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->   Röntgenfluoreszenzanalyse - Wikipedia
->   BBC Online
->   Stanford Synchrotron Radiation Laboratory
 
 
 
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01.01.2010