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Allergie: Eine Krankheit wird 100  
  Schon vor 100 Jahren prägte ein Wiener Arzt den Begriff "Allergie" als medizinischen Fachterminus. Er erkannte, dass das Immunsystem bei Allergien eigentlich ungefährliche Substanzen als gefährlich einstuft.  
Anlässlich dieses Jubiläums wird kommenden Dienstag im Medizinhistorischen Museum Berlin ein Ausstellung zum Thema eröffnet.
Entdeckung durch Zufall
Die Entdeckung der Krankheit war wie so oft in der Geschichte der Medizin ein Zufall: Der Kinderarzt Clemens von Pirquet (1874-1029) beobachtete, dass seine Diphterie-Patienten auf Injektionen von Pferdeserum unterschiedlich reagierten.

"Während die Injektionen bei den meisten Kindern zur Heilung führte, löste sie bei anderen schwere Nebenwirkungen aus, die teilweise sogar zum Tod führten", erläutert der Allergologe Karl-Christian Bergmann, einer der Mitorganisatoren der Ausstellung.

Außerdem bemerkte Pirquet, dass der Körper bei einer zweiten Impfung schneller und oft heftiger reagierte. Daraus folgerte er, dass ein wiederholter Kontakt mit dem gleichen Stoff zur Reaktion mit dem bereits gebildeten Gegenstoff führt. Damit hat er den Wirkmechanismus von Allergien entdeckt, der sich noch heute in den Lehrbüchern findet.
Immunsystem reagiert auf harmlose Substanzen
Bei einer Allergie stuft das Immunsystem eigentlich ungefährliche Substanzen als gefährlich ein. Dadurch werden Antikörper gegen bestimmte Stoffe, die so genannten Allergene gebildet. Die Folge: Die betroffenen Zellen schütten das Hormon Histamin aus, das im umliegenden Gewebe allergische Reaktionen verursacht.

Diese Überreaktion beschrieb Pirquet 1906 in der "Münchener Medizinischen Wochenzeitschrift" erstmals als "Allergie". "Allos" heißt auf Griechisch "anders" oder "fremd" - eine Allergie ist folglich eine veränderte Reaktionsfähigkeit des Körpers.
Trotz zahlreicher Therapien nehmen Allergien zu
Seit der Entdeckung der Krankheit durch Pirquet hat sich einiges getan: In den Apotheken stapeln sich heute diverse Medikamente, Tests können zahlreiche Allergien voneinander unterscheiden, und mit Hilfe einer so genannten Hyposensibilisierung kann sich der Körper schrittweise an ein bestimmtes Allergen gewöhnen.

"Dennoch werden Allergien heute noch häufig zu wenig beachtet", sagt Bergmann. Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie werden nur zehn Prozent der Betroffenen mit Atemwegsallergien korrekt therapiert. Die Folge: Allergien wie der Heuschnupfen verschlimmern sich mit der Zeit und führen zu chronischen Erkrankungen.

So nehmen nach Angaben der Europäischen Stiftung für Allergieforschung ECARF Allergien in allen industrialisierten Ländern dramatisch zu. Die ECARF geht davon aus, dass im Jahr 2010 jeder Zweite an einer Allergie leiden wird. Da Allergien auch die Leistungsfähigkeit der Betroffenen mindern, hätte so eine Entwicklung auch volkswirtschaftliche Folgen.

[science.ORF.at/dpa/APA, 10.8.06]
->   Allergien (Wikipedia)
->   Europäische Stiftung für Allergieforschung
->   Medizinhistorisches Museum Berlin
->   Mehr zum Thema Allergie in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010