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Was den Mount Everest so gefährlich macht  
  Bergsteiger verfügen heute über hoch entwickelte Ausrüstung, sind gut vorbereitet und bewegen sich auf etablierten Routen. Dennoch: Die Anzahl der Toten, die der Mount Everest jedes Jahr fordert, hat sich kaum verändert. Die Hauptprobleme beim Aufstieg sind nach wie vor Sauerstoffmangel und Ödeme, aber auch die wachsende Zahl unerfahrener Bergsteiger, die unbedingt das "Dach der Welt" erklimmen wollen.  
Dies berichtet Andrew Sutherland, der seine Erfahrungen als Bergsteiger und Mediziner im "British Medical Journal" (BMJ) zusammenfasst.
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Der Artikel "Why are so many people dying on Everest?" von A.Sutherland ist im "BMJ" (Bd. 333, S.452, 26.8.06) erschienen.
->   Artikel
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Der höchste Berg galt lang als unbezwingbar
Der Mount Everest ist mit 8.844 Metern der höchste Berg der Welt. Lang galt der Berg als unbezwingbar, vor allem aus physiologischen Gründen.

Im Jahr 1953 gelang dem Neuseeländer Sir Edmund Hillary und seinem Sherpa Tenzing Norgay die erste geschichtlich gesicherte Besteigung mit Hilfe von Sauerstoffflaschen. Erst 1978 erreichten Reinhold Messner und Peter Habeler den Gipfel ohne zusätzlichen Sauerstoff.
Viele Tote trotz perfekter Ausrüstung
Der Berg hat sich zwar nicht verändert, dafür hat sich die Ausrüstung und die Vorbereitung der Bergsteiger stark verbessert. Demnach sollte man annehmen, dass es heute weniger gefährlich ist, den Everest zu besteigen.

Die Zahl der Opfer aber bleibt hoch. So hat der Berg heuer bereits 15 Menschenleben gefordert. Im Durchschnitt kommt etwa ein Toter auf zehn erfolgreiche Besteigungen.

Die häufigsten Todesursachen dabei sind Verletzungen und Erschöpfung. Ein großer Teil der Bergsteiger erliegt aber auch der Höhenkrankheit. Diese verursacht das lebensbedrohende Höhenlungenödem oder Höhenhirnödem. Sutherland vermutet, dass die Höhenkrankheit auch bei anderen Todesarten mitgespielt hat. Oft lässt sich das nicht mehr feststellen.
Krankmachende Höhe
Die Höhenkrankheit kann auftreten, sobald sich Menschen auf einer Höhe von über 2.000 Metern befinden. Bei abnehmendem Luftdruck nimmt nämlich auch der Sauerstoffdruck ab, was zu einer Sauerstoffunterversorgung führen kann.

Die Hauptgefahr des geringen Drucks ist aber die Erhöhung des Blutdrucks: Die Folge sind Flüssigkeitsansammlungen in Lunge oder Gehirn. Derartige Ödeme sind akut lebensbedrohend.
Unerfahrene Bergsteiger und mangelnde Höhen-Erfahrung
Seit den 80er Jahren ist eine regelrechte Everest-Euphorie ausgebrochen. Daher ist ein möglicher Grund für die hohe Todesrate eine steigende Anzahl an unerfahrenen Bergsteigern, die zum Teil große Summen - angeblich bis zu 65.000 US-Dollar - für den Aufstieg zahlen.

Nach Ansicht des Autors liegt der Grund nicht generell an der mangelnden Erfahrung, sondern an der fehlenden speziellen Höhen-Erfahrung. Diese zu bekommen ist allerdings nicht ganz leicht, ohne den Everest selbst zu bezwingen. Die Bergsteiger können daher oft nicht vorhersehen, ob sie mit dieser enormen Höhe zurechtkommen.
Veränderung der Wahrnehmung kann fatal sein
Das Gehirnödem kann auch zur Veränderung oder zum Verlust des Realitätssinns führen, was auf dem Berg fatal ist.

Möglicherweise könnten leichtere Formen der Desorientierung zu massiven Fehleinschätzungen führen, sodass sich die Bergsteiger immer noch einen Aufstieg zutrauen, obwohl sie schon längst nicht mehr gesund sind.

Sutherland hält es sogar für höchst wahrscheinlich, dass die meisten in diesen Höhen Ödeme entwickeln, wenn auch in geringerer Ausprägung. Bergsteiger sollten daher nicht nur an den "Aufstieg um jeden Preis" denken, sondern auch an ihren Zustand.
Umkehren, sobald das Tempo fällt
Es gäbe auch eine verlässliche Methode, die eigene Gesundheit zu kontrollieren, nämlich das Tempo. Denn egal, welcher Art die körperliche Beeinträchtigung ist, sie führt immer zu einer Verlangsamung.

Das heißt: Für 100 Höhenmeter sollte ein Bergsteiger nicht mehr als ein bis eineinhalb Stunden brauchen. Wird er langsamer, stimmt irgendetwas nicht und die Kräfte werden ihm spätestens beim Abstieg ausgehen.


[science.ORF.at, 29.8.06]
->   Mount Everest (Wikipedia)
->   Höhenkrankheit (Wikipedia)
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Helm gegen Höhenkrankheit entwickelt (18.7.06)
->   Viagra gegen Höhenkrankheit (15.5.02)
->   Höhenbergsteigen - Stress für das Gehirn (19.11.01)
 
 
 
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01.01.2010