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Experte: Sport-Solidarität hilft gegen Doping  
  Vom Radsportler Floyd Landis bis zur Leichtathletin Marion Jones: Die Dopingfälle dieses Sommers haben wieder einmal gezeigt, dass es im Spitzensport oft nicht mit rechten Dingen zugeht. Ein norwegischer Dopingexperte hielt am Rande der Alpbacher Technologiegespräche ein Plädoyer für einen "sauberen und fairen Sport". Dabei machte er auch einige ungewöhnliche Vorschläge - etwa einen "offenen Zugang zum Trainingswissen und gleiche Technologien für alle".  
Sigmund Loland von der Norwegian School of Sport Sciences war Freitagnachmittag Teilnehmer eines Arbeitskreises in Alpbach, der sich der "Wissenschaft und Technologie im Sport" widmete.
Technologie bestimmt Resultat
Methoden und Technologien, um Leistungen zu verbessern, gibt es viele. Das fängt beim Material der Sportwerkzeuge an, geht über die Trainingsmethoden bis zur Einnahme von leistungsfördernden Substanzen.

Die Technologie, so Loland, bestimmt in vielerlei Hinsicht die Resultate im Sport. Etwa beim Skifahren, wo Skier und Wachs eine entscheidende Rolle spielen und kundige "Skiwachsler" schon Rennen gewonnen haben.
Standardisierung der Skier?
"Von einem idealistischen Standpunkt aus müssten die Skier standardisiert sein, und dann an die individuellen Sportler angepasst werden", meint Loland. Genau genommen verstoße das unterschiedliche Material gegen den Gleichheitsgrundsatz des Sports.

Zwar gebe es eine Reihe von Sportdisziplinen mit normiertem und standardisiertem Material - etwa Speerwurf oder Kugelstoßen - aber in manchen Sportarten sei tatsächlich die Technologie ausschlaggebend.
Trainingslehre: Open Access statt Geheimwissen
Bild: ORF
Sigmund Loland in Alpbach
Mehr Gleichheit im Sinne des Sports kann sich Loland auch beim Wissen über die besten Trainingsmethoden vorstellen. Die Zauberworte heißen dabei Offenheit und Transparenz. Ähnlich wie bei der Open-Access-Bewegung in der wissenschaftlichen Publikationspraxis könnten auch hier offene Internet-Datenbanken entstehen.

"Wenn wir in Skandinavien z.B. etwas über Ausdauertraining herausfinden, sollten wir das allen zugänglich machen. Das ist das Ideal, natürlich gibt es in der Industrieforschung wie in der Sportwissenschaft jede Menge Geheimwissen."

Loland schätzt dieses Geheimwissen nicht, da es die Trainingsvoraussetzungen unterschiedlich macht.
Blutdoping verboten, Sauerstoffzelte nicht
Bei der Anwendung des sportwissenschaftlichen Wissens wird oft zu unerlaubten Mitteln gegriffen, wie nicht nur die jüngsten Fälle rund um die Tour de France gezeigt haben. Die Grenze zwischen Doping und erlaubten Methoden zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit ist dabei fließend - und umstritten.

Blutdoping etwa mittels EPO (Erythropoetin) ist verboten, künstliche Sauerstoffzelte sind - noch - erlaubt. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) diskutiert zurzeit darüber, ob sie nicht auch verboten werden sollen.

Das Ziel von EPO wie von den Sauerstoffzelten oder den üblichen Trainingslagern in Höhenlagen vor Wettkämpfen ist das gleiche: Der Sauerstofftransport des Blutes soll verbessert werden.
Unterschiedliche Eingriffe in den Körper
Die Unterschiede zwischen den im Ansatz gleichen Methoden liegen laut Loland im Grad der "Invasion des Körpers", ob ihm Substanzen injiziert werden oder ob nur eingeatmet wird.

Bisher gebe es auch noch keine Beweise, dass die Sauerstoffkammern der Gesundheit wirklich schaden. Umgekehrt könne eine hohe Dosis EPO tödlich sein.
Gegen Freigabe des Dopings
Die da und dort geforderte Freigabe von Doping unter medizinischer Kontrolle hält Loland für "soziologisch naiv". Das Grundprinzip für das Doping-Verbot sei der Schutz der Athleten, vor allem wenn sie als Kinder oder Jugendliche ihre Karriere starten.

Dass es Doping immer gegeben habe, sei kein Argument. "Auch Schnellfahrer wird es immer geben, deswegen kann man aber die Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht abzuschaffen."
Transparenz hilft gegen verbotene Mittel
Doping ist nicht zuletzt auch eine Frage des Reichtums einer Gesellschaft. Ein Argument, das mitunter von Vertretern der Dritten Welt kommt, geht laut Loland in diese Richtung: Ausgedehntes Höhentraining oder Sauerstoffzelte könne man sich nicht leisten, deshalb müsse man auf billigere Methoden wie z.B. anabole Steroide zurückgreifen.

Loland hält davon nichts, "wir müssen uns alle an die Regeln halten". Sein konstruktiver Gegenvorschlag: die weltweite Entwicklung von Sportressourcen in einer Art olympischer Solidarität. "Den Leuten überall den gleichen Zugang zu Trainingswissen und Technologien zu geben, ist auch eine gute Anti-Doping-Strategie."
"Small is beautiful"
Dass es in seiner norwegischen Heimat bisher keine Dopingfälle gab, liegt seiner Ansicht nach an der Kleinheit des Landes und seinem transparenten Sportsystem. "Es ist bei uns sehr schwierig systematisches Doping zu betreiben. Nicht weil wir moralisch überlegen sind, sondern strukturell. In dem kleinen Norwegen kann man Elite-Athleten im Bus treffen und ansprechen. Die meisten Norweger kennen jemanden, der mit Sport zu tun hat, da ist es nicht so einfach, heimlich zu dopen." Neben dem "Small-is-beautiful"-Phänomen liege es vor allem an der offiziellen Anti-Doping-Politik des Landes.

Außerhalb Norwegens sieht es in Sachen Doping weniger rosig aus. Dass Doping je aus dem Sport verschwinden würde, scheint angesichts der historischen Erfahrungen wenig wahrscheinlich.

Loland aber zeigt sich optimistisch. Ähnlich wie beim Rauchen in der Öffentlichkeit könne auch hier eines Tages mit "schlechten Angewohnheiten" gebrochen werden.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 25.8.06
->   Sigmund Loland, Norwegian School of Sport Sciences
->   Texte von Loland (playthegame.org)
->   Technologiegespräche in Alpbach
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Radio-Hinweis
Die Ö1-Dimensionen widmen sich am Freitag, 25. August, und am Montag, 28.August, ebenfalls den Technologiegesprächen in Alpbach: Radio Österreich 1, 19.05 Uhr.
->   Ö1
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Mehr zu Alpbach 2006 in science.ORF.at:
->   "Austroamerikanerin" über Vorteile der US-Forschung (25.8.06)
->   Eröffnung der Technologiegespräche (24.8.06)
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01.01.2010