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Fußball-WM: Fans um gefühlte 500 Euro reicher  
  Das gute Abschneiden des deutschen Teams bei der Fußball-WM hatte einen erstaunlichen Nebeneffekt: Während der WM sahen die Menschen ihre wirtschaftliche Situation deutlich optimistischer als vorher.  
Ihre eigene ökonomische Lage beurteilten sie sogar so positiv, als hätten sie knapp 500 Euro mehr in der Tasche als vor der WM. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Universität Bonn in einer repräsentativen Studie.
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Der Artikel "Seemingly Irrrelevant Events Affect Economic Perceptions and Expectations: The FIFA World Cup 2006 as A Natural Experiment" von Thomas Dohmen et al. wurde in der "Discussion Paper Series" des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA DP no.2275)
veröffentlicht.
->   Artikel
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"Nach dem Spiel ist nicht vor dem Spiel"
Für die Studie hat das Meinungsforschungsinstitut "Infas" im Auftrag der Forscher eineinhalb Wochen vor der WM sowie am Tag nach jedem deutschen Spiel je 400 zufällig ausgewählte Erwachsene interviewt. Insgesamt wurden mehr als 3.200 Personen befragt.

Die Befragten sollten sich dabei zu ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation sowie zur aktuellen ökonomischen Lage der Bundesrepublik äußern. Außerdem sollten sie angeben, wie sie selbst beziehungsweise das ganze Land in einem Jahr wirtschaftlich dastehen würden.

Das Ergebnis überraschte in seiner Deutlichkeit selbst die Experten: "Gerade nach dem gewonnenen Viertelfinalspiel gegen Argentinien sowie gegen Portugal um Platz 3 sahen die Befragten ihre aktuelle wirtschaftliche Lage viel rosiger als vor Beginn der WM", sagt der Ökonom Armin Falk in einer Aussendung des Instituts.
Rosarote Brille
Durch die Befragung konnten die Wissenschaftler sogar die Stärke der rosaroten Brille berechnen: Wer während der WM interviewt wurde, beurteilte seine ökonomische Situation im Durchschnitt ähnlich gut wie jemand, der vor der WM befragt worden war, aber über ein knapp 500 Euro höheres Netto-Haushaltseinkommen verfügte.

Bei der Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Lage sowie der zukünftigen Entwicklung beobachteten die Forscher einen ähnlichen Trend: Während der WM waren die Urteile deutlich positiver. Allerdings beschränkt sich die geschönte Wahrnehmung auf die ökonomische Lage. Die Zufriedenheit mit der Regierung stieg laut Forscher in dieser Zeit nicht.
Macht der Psychologie
Damit konnten die Wissenschaftler zeigen, dass scheinbar irrelevante Ereignisse direkten Einfluss auf die wirtschaftliche Einschätzung haben. Offensichtlich spielt die Psychologie im ökonomischen Handeln und in der Wahrnehmung eine wesentliche Rolle.

Die Ergebnisse wären auch eine Erklärung dafür, warum das Wirtschaftswachstum in Deutschland momentan überraschend an Fahrt gewinnt. "Zwar ist der direkte ökonomische Effekt der WM, beispielsweise durch gestiegene Einnahmen der Gastronomie oder die höhere Nachfrage nach Flachbildschirmen, wohl minimal", sagt Falk.
Langfristige Wirkung bleibt abzuwarten
Die optimistische Grundstimmung von Millionen Menschen könnte aber dazu führen, konsumfreudigere Entscheidungen zu treffen und mehr zu investieren. Dadurch könnte durchaus ein zusätzlicher Wachstumsschub entstehen. Der wirtschaftliche Optimismus würde sich praktisch im Sinne einer selbst erfüllenden Prophezeiung nachträglich legitimieren.

Ob die gute Stimmung während der WM tatsächlich langfristige Effekte hat, bleibt allerdings abzuwarten.

[science.ORF.at, 29.8.06]
->   Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit
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01.01.2010