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Wie Technik-Studien beliebter werden könnten  
  Ein eigenes Fach "Technik" und alltagsnähere Mathematik in der Schule sowie eine stärkere Berücksichtigung der bildungsfernen Schichten: Das sind die Vorschläge von Experten, um mehr junge Menschen für technische Studien zu gewinnen und auch die Frauenquote zu steigern.  
"Technik und Naturwissenschaften im Wandel - ist unsere tertiäre Ausbildung noch zeitgemäß?", hieß vergangene Woche ein Arbeitskreis der Alpbacher Technologiegespräche.

Doch die Diskutanten stimmten darin überein, dass Maßnahmen lange vor der Studienentscheidung ansetzen müssten. Das Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Gegenständen müsse bereits in der Schulzeit geweckt bzw. gefördert werden, so der Tenor in der Diskussionsrunde.
"Technik" als Schulfach
Sehr konkrete Vorschläge machte Hannspeter Winter, Vorstand des Instituts für Allgemeine Physik an der Technischen Universität Wien. Physik und Chemie in der Unterstufe sollten durch das Fach "Technik" vorbereitet werden. Der Schwerpunkt müsse dabei auf praktischen Übungen liegen.

Mit Themen, die unmittelbar mit der Lebenswelt der jungen Menschen zu tun haben - Funktion einer Waschmaschine, eines Mobiltelefons oder eines Autos - sollen diese für technische Zusammenhänge begeistert werden.
Rechenausbildung für alle
Kontraproduktiv hält Winter auch den derzeitigen Mathematikunterricht. Es werde viel zu viel Zeit mit Stoff vergeudet, den nur eine sehr kleine Gruppe später brauche. "Vernünftiger wäre eine solide Rechenausbildung für alle", sagte der Physiker.

Den Schülern soll beigebracht werden, die verschiedenen Handytarife zu vergleichen und Statistiken zu verstehen. Sie sollen Prozentrechnungen beherrschen, damit sie später ihre Vermögensanlagewerte berechnen können.

Gegenstände wie Integralrechnungen dagegen könnten getrost vom Lehrplan gestrichen werden.
Talente aus bildungsfernen Schichten erkennen
Winter ist auch überzeugt, dass viel Potenzial in den so genannten bildungsfernen Schichten liegt. Gerade in den technischen Fächern kämen begabte Studenten oft aus diesen Schichten. Werden diese Talente nicht früh genug entdeckt, würde ihr Weg erst gar nicht an die Universität führen.

Daher müssten die Lehrer in den Hauptschulen und in der Unterstufe sensibilisiert werden. Besonders interessierte Kinder sollten motiviert werden, Leistungsgruppen zu besuchen, notfalls auch auf regionaler Ebene, falls es solche an der eigenen Schule nicht gibt. Außerdem könnten in speziellen Wettbewerben Talente "herausgefischt" werden.
Interessen der Jugendlichen ernst nehmen
Ebenfalls sehr deutliche Worte fand die steirische Wissenschafts-Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP). Das Problem liege nicht darin, dass sich Kinder zu wenig für technische Themen interessieren. Auch auf Mädchen treffe das nicht zu. Aber das Interesse würde den Kindern in der Schule geradezu "ab-erzogen". Für die beliebtesten Studienrichtungen - Medizin, Jus oder Wirtschaft - gebe es keine eigenen Fächern in der Schule.

In ländlichen Gebieten käme es sogar vor, dass technisch interessierte Mädchen "Textiles Werken" statt "Technisches Werken" besuchen müssten, nur damit die Werklehrerin beschäftigt werden könnte. "Wir müssen uns endlich davon verabschieden, Lehrerbeschäftigungspolitik statt Bildungspolitik zu machen", forderte die Landesrätin.
Jugendliche ansprechen
Auch die derzeitige Debatte um den Mangel an Technikern hält Edlinger-Ploder für nicht zielführend. Wie keine Mutter ein Kind bekäme, weil es für die demographische Entwicklung von Vorteil ist, würden sich Jugendliche auch nicht für ein technisches Studium entscheiden, nur weil der Bedarf an Technikern gedeckt werden muss.

"Wir haben es bisher versäumt, Jugendliche adäquat anzusprechen", kritisierte Edlinger-Ploder. "So wie Technik vermittelt wird, ist sie für die Jugendlichen nicht sexy."
Neue Bilder gefragt
Man müsse hier viel mehr mit Emotionen arbeiten. Es brauche eine Sprache und eine Kultur, die Technik und Naturwissenschaften viel stärker in ihrer Beziehung zu den Menschen zeige.

Perfekt belichtete Bilder von Reagenzgläsern, wie sie sich in populärwissenschaftlichen Magazinen oder in PR- und Info-Broschüren befinden, würden vielleicht den künstlerischen Ansprüchen gerecht.

Sie könnten aber nicht vermitteln, dass technische Berufe Arbeit mit und für Menschen bedeuten, sagte Edlinger-Ploder.

Sabina Auckenthaler, 1.9.06
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Sabina Auckenthaler ist freie Journalistin und war ORF-Stipendiatin der Technologiegespräche beim Forum Alpbach 2006.
->   Forum Alpbach 2006
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->   Hannspeter Winter, TU Wien
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01.01.2010