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Experten: Religionen beeinflussen das Frauenbild  
  Die Diskriminierung von Frauen, in der Geschichte bis zur Gegenwart, lasten feministische Theoretiker zu einem großen Teil den Religionen an. "Nachholbedarf" bei der Gleichstellung orten Experten in vielen Religionen.  
Als am wenigsten gleichberechtigt mit den Männern gelten in der heutigen Zeit die Musliminnen. Beim Christentum wird meist zwischen den verschiedenen Konfessionen unterschieden.
Der Islam und die Rollen der Frauen
"Fakt ist, dass die heutige muslimische Frau ihrer Rechte beraubt wurde", heißt es in einem Beitrag in der vom Islamischen Zentrum Hamburg herausgegebenen Zeitschrift "Al Fadschr - Die Morgendämmerung", die sich in ihrer neuesten Ausgabe ausführlich dem Thema des Status der Frau in den Religionen widmet.

Die Frauenbeauftragte und stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Maryam Brigitte Weiß, verweist dazu darauf, dass der Islam vor 1.400 Jahren "eine Revolution im gesellschaftlichen Zusammenleben der Menschen" darstellte.

"Vor allem für die Frauen änderte sich alles. Waren sie vorher eine beliebige Ware der Männer, wurden sie durch den Islam zu gleichberechtigten Geschöpfen neben dem Mann."
Verlust der Rechte erst "nachträglich"
An dem Verlust ihrer Rechte seien nicht-muslimische Kolonialherrschaften genauso beteiligt wie muslimische Männer, denen es aus bestimmten Gründen besser passte, die Frauen ins Haus und vor allem in die Unwissenheit zu schicken als sie dem Beispiel der vorbildlichen frühen Musliminnen und sogar späteren Lehrerinnen, Richterinnen und anderen in der islamischen Welt folgen zu lassen, heißt es bei ihr weiter.

Deshalb gebe es jetzt "einen Nachholbedarf bei der Erneuerung der islamischen Lebensweise und der Wiederentdeckung der großen kulturellen Geschichte."
Im Christentum: Zwischen leitenden Aufgaben, ...
Die evangelische Bischöfin Margot Käßmann (Hannover) sieht in Jesus etwa Ähnliches wirksam wie in dem islamischen Propheten Mohammed.

"Frauen galten zur Zeit Jesu vielfach als Außenseiterinnen, wie Zöllner oder Kranke; viele sahen sie als minderwertig an", schreibt sie.

"Ihnen wendete sich Jesus besonders zu. Er behandelte sie als gleichwertige und auch gleichberechtigte Partnerinnen. Als Jüngerinnen schlossen sie sich ihm an und übernahmen leitende Aufgaben in der frühen Christenheit."
... gebären und Hausfrauentätigkeit
Angelika Salomon, wissenschaftliche Referentin für den Dialog der Religionen an der Katholischen Akademie Berlin, verweist auf die viel zitierte Äußerung des Apostels Paulus, dass "Frauen in den Gemeinden schweigen" sollen "und sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt", es "schändlich" für die Frau sei, in der Gemeinde zu reden.

Es scheine bis heute, dass den herabwürdigenden Worten Paulus' den befreienden Worten und Taten Jesu Vorrang gegeben werde, bemerkt sie dazu. Sie nennt auch Thomas von Aquin und andere Kirchenlehrer, die zwar "mit ihren Lehren die Fesseln ihrer Zeit sprengten", doch in der Beziehung zur Frau in ihrer Zeit gefangen waren.

So schrieb der Heilige Thomas: "Der wesentliche Wert der Frau liegt in ihrer Gebärfähigkeit und ihrem hauswirtschaftlichen Nutzen."
Katholische Kirche setzt sich zur Wehr - "ohne Erfolg"
Der katholische Theologe Hans Küng (Tübingen) befasst sich in allen seinen religionshistorischen Werken mit dem Thema. Zum Christentum heißt es da etwa, dass seit den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts viele evangelische, anglikanische und altkatholische Kirchen große Fortschritt in der Förderung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen gemacht hätten - bis hinein in die Leitungsgremien.

Die katholische Kirche jedoch wehre sich weiterhin, "aber letztlich nicht erfolgreich", gegen die Gleichberechtigung von Frauen.

Er erwähnt in diesem Kontext auch, dass erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele europäische Länder begonnen hätten den Frauen das Wahlrecht zu gewähren.
Jüdische Geschichte mit patriarchalischen Charakter
Die jüdische Geschichte und Theologie hatten von Anfang an einen patriarchalischen Charakter, wie Küng konstatiert. Zwar sind, wie er verzeichnet, Fortschritte in der Emanzipation der Frau erzielt worden, doch auch hier gibt es Nachholbedarf.

Er erwähnt dazu die für Frauen benachteiligenden Scheidungsgesetze in Israel. Im politischen Leben des Landes seien Frauen eklatant unterrepräsentiert. Zum Islam hebt auch er die anfängliche grundsätzliche Aufwertung der Frau und ihre spätere Abwertung in der Praxis hervor.
Islam: Diskriminierung entspricht nicht dem Koran
Manches in der westlichen Öffentlichkeit dem Islam an Diskriminierung und Drangsalierung von Frauen Angelastete entspricht nicht dem Koran, sondern ist spätere Interpretation oder Hinzufügung.

Jedenfalls ist für Muslime allein der Koran Wort Gottes. Der Islamwissenschaftler Reza Aslan (University of California) macht in seinen neuen Werk über den Glauben der Muslime vom Muhammad bis zur Gegenwart (deutsche Ausgabe: "Kein Gott außer Gott") zum Beispiel darauf aufmerksam, dass die Steinigung einer Frau wegen Ehebruchs im Koran absolut keine Grundlage habe. Auch für die Verschleierung von Frauen finde sich im Koran kein Beleg.

Rudolf Grimm, dpa, 4.9.06
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01.01.2010