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Fremdenfeindlichkeit im Irak weltweit am höchsten  
  87 Prozent der Iraker würden nicht mit einem Briten oder Amerikaner Tür an Tür wohnen wollen. Auch Iraner und Jordanier sind nicht willkommen. Die vielen Terroranschläge und die Armut lassen die Iraker misstrauisch gegenüber allem Fremden werden - im weltweiten Vergleich ist die Fremdenfeindlichkeit im Irak am höchsten.  
Zu diesem Ergebnis kommt der amerikanische Wissenschaftler Ronald Inglehart von der University of Michigan in einer Studie, die er in Zusammenarbeit mit dem "Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung" (WZB) veröffentlicht hat.

Dabei wurden Umfragedaten der Jahre 2004 und 2006 aus 80 Nationen ausgewertet, in denen vier Fünftel der Weltbevölkerung leben.
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Der Artikel "Changing norms - Existential security leads to growing acceptance of out-groups" ist in der Zeitschrift "WZB-Mitteilungen" (S. 26-29, September 2006) erschienen.
->   Artikel (PDF-Datei)
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Ablehnung auch gegenüber anderen arabischen Staaten
Erwartungsgemäß hegen die Iraker gegenüber Briten und Amerikanern die größten Ressentiments. Franzosen, die gegen den Krieg im Irak aufgetreten waren, stoßen aber ebenfalls auf Ablehnung. Rund 90 Prozent der Befragten würden Französische Nachbarn nicht akzeptieren.

Die Fremdenfeindlichkeit besteht aber nicht nur gegenüber dem Westen, sondern auch gegenüber Bürgern benachbarter Staaten. Ein Vergleich zeigt, dass sich die Zahlen sogar noch verschlechtert haben.

Hegten 2004 45 Prozent der Menschen negative Gefühle gegenüber Jordaniern, waren es 2006 schon 61 Prozent. Und das, obwohl die Jordanier die Iraker im Krieg unterstützt hatten. Abgelehnt werden aber auch Türken (59 Prozent) und Iraner (55 Prozent).
Angst ums Überleben
Grund für diese starke Fremdenfeindlichkeit ist laut Inglehart die extrem schlechte Sicherheitssituation im Irak. Bei Bedrohungen würden sich die Menschen gegen Fremde zusammenschließen.

Seit dem 11. September 2001 wurden tausende Opfer von Terroranschlägen gezählt, rund die Hälfte davon im Irak.

Im irakischen Kurdengebiet, das weitgehend von Anschlägen verschont geblieben ist, ist die Fremdenfeindlichkeit dementsprechend niedriger.
Zusammenhang zwischen Armut und Xenophobie
Neben ständiger Gefahr ist jedoch auch die Einkommenssituation ein wesentlicher Indikator für Fremdenfeindlichkeit. Je wohlhabender ein Land, desto geringer ist die Angst vor Fremden. Demnach ist die negative Haltung gegenüber Ausländern in den Industrieländern am geringsten.

Dass Terroristen oft aus im Verhältnis eher wohlhabenden Kreisen stammen, widerspräche dieser These nicht, schreibt Inglehart. Wenn in einem Land Fremdenfeindlichkeit vorherrsche, würden diese Gefühle auch auf sozial besser gestellte Menschen abfärben, da diese ja nicht isoliert von der Gesellschaft lebten.
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Weltweites Ranking: Isländer am tolerantesten
Von insgesamt 80 untersuchen Ländern sind die Isländer am offensten gegenüber Fremden. Laut Studie von Inglehart sind hier nur vier Prozent aller Einwohner xenophob. Dicht dahinter folgen Kanada, Australien und Schweden mit jeweils fünf Prozent.

In den USA wollen neun Prozent keine ausländischen Nachbarn. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 16 Prozent. In Entwicklungsländern wie Bangladesch liegt der Wert bei 55 Prozent. Trauriges Schlusslicht ist der krisengeschüttelte Irak.
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Wohlstand bringt Frauenrechte
Wachsender Wohlstand lässt aber nicht nur die Fremdenfeindlichkeit zurückgehen, sondern er hilft auch beim Abbau von Vorurteilen gegenüber anderen Gruppen. So hätte sich die Haltung gegenüber Homosexuellen und Frauen in den letzten Jahren im Westen stark verbessert, schreibt Inglehart.

In Entwicklungsländern sind die traditionellen Rollenbilder hingegen noch sehr stark in den Gesellschaften verankert. Eine Mehrheit der Menschen in diesen Ländern stimmt der Aussage zu, dass "Männer ein Vorecht auf Arbeitsplätze" haben sollten, wenn diese rar seien.
Höhere Toleranz von Homosexualität
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Homosexuellen. 1981 bezeichnete die Hälfte der Bevölkerung in Großbrittannien, Italien, Westdeutschland und Frankreich Homosexualität als "nicht rechtfertigbar". In Amerika waren es über 60 Prozent.

Rund 20 Jahre später sind nur mehr ein Viertel der Europäer derselben Meinung, in Amerika ist es noch ein Drittel.

[science.ORF.at, 7.9.06]
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Die Studie: "Xenophobia and In-Group Solidarity in Iraq: A Natural Experiment on the Impact of Insecurity" von Ronald Inglehart, Mansoor Moaddel und Mark Tessler erscheint in der Zeitschrift "Perspectives on Politics" im September 2006.
->   Zeitschrift "Perspectives on Politics"
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->   Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
->   University of Michigan, Ronald Inglehart
Mehr zum Thema Fremdenfeindlichkeit in science.ORF.at:
->   EU Bericht: Schlechte Jobchancen für Migranten (23.11.05)
->   Keine wissenschaftliche Grundlage für Rassismus (17.1.05)
 
 
 
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01.01.2010