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Ausgefeiltes Täuschungsmanöver von Käfer-Larven  
  Ein parasitär lebender Ölkäfer hat ein ausgefeiltes System entwickelt, um die eigene Fortpflanzung zu sichern. Es beruht auf einem gemeinsamen Täuschungsmanöver durch mehrere hundert Käfer-Larven. Sie imitieren nicht nur Form und Bewegung einer weiblichen Biene, sondern auch ihren Sexuallockstoff. Damit haben sie ihr Transportticket zum sicheren Bienennest, ihr eigentliches Ziel, gelöst - mit ein Mal Umsteigen.  
Damit zeigt ein "nicht-soziales" Insekt ein außergewöhnliches Kooperationsverhalten, schreiben Leslie S. Saul-Gershenz vom Center for Ecosystem Survival und ihre Kollegin Jocelyn G. Millar.
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Der Artikel "Phoretic nest parasites use sexual deception to obtain transport to their host's nest" von Leslie S. Saul-Gershenz und Jocelyn G. Millar ist als Online-Vorabveröffentlichung der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" (11.-15. September 2006, doi: 10.1073/pnas.0603901103) erschienen.
->   Abstract
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Soziale Insekten
Bild: Saul-Gershenz et al./PNAS
Typisches Triungulinus-Knäuel auf Grashalm
Bei Bienen, Wespen, Ameisen und Termiten ist kooperatives Verhalten an der Tagesordnung. Doch bei Insekten, die mittels Mimikry ihre Wirtstiere täuschen bzw. anlocken, ist ein solches Verhalten laut den Wissenschaftlerinnen außergewöhnlich.

In welcher Form die Ölkäfer Meloe franciscanus ihre Wirtstiere, die Solitär-Bienen der Art Habropoda pallida, zu ihren eigenen Gunsten hinters Licht führen, beschrieb Saul-Gershenz bereits im Jahr 2000 in einem Beitrag der Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 405, S. 35).

Mit ihrem damaligen Forscherkollegen John Hafernik von der San Francisco State University klärte sie damals den Zusammenhang zwischen den vorzufindenden Knäueln aus hunderten von Ölkäfer-Larven an Pflanzenstengeln und die Belagerung von Bienennestern durch den Ölkäfer.
Larven-Allianz: Gemeinsam überzeugen wir!
Die Ölkäfer wie auch die Bienen sind Bewohner der Sanddünen der Wüsten im Südwesten der USA. Die Pflanze Astragalus lentiginosus liefert den Bienen den Nektar, ihre Blätter dienen den erwachsenen, flügellosen Käfern als Nahrungsquelle.

Um ihr Überleben in dem unwirtlichen Umfeld zu sichern, haben die Junglarven der Ölkäfer, die so genannten Triungulinus-Larven, eine sehr ausgeklügelte Technik entwickelt.

Mit dieser gelingt es ihnen, Bienen als ihr Transportmittel zu den sicheren Bienennestern zu gewinnen, wo sie dann ein parasitäres Leben führen und heranreifen.
Aufbau der Formation
 
Bild: Saul-Gershenz et al./PNAS

Männliche Biene fliegt ein Larven-Knäuel an

Die weiblichen Ölkäfer legen ihre Eier "zu Füßen" der Pflanzen ab. Sind die Larven aus den Eiern geschlüpft, bilden sie am Pflanzenstengel eine dichte, dunkle Masse von 120 bis 2.000 Individuen aus (rund 6,9 Millimeter Durchmesser).

Das Aggregat aus Triungulinus-Larven imitiert das Bienenweibchen in Größe, Farbe und Aufenthaltsort. Die Junglarven kooperieren dabei, um den Zusammenhalt zu gewähren.

Sie bewegen sich in einer Einheit entlang des Stamms auf und ab - und zwar solange, bis sie sterben oder von einer männlichen Biene entdeckt werden. Denn: In ihrer Form locken die Larven die männlichen Bienen zur Kopulation an.
Transport mit Umsteigen
 
Bild: Saul-Gershenz et al./PNAS

Die Larven hängen sich an die männliche Biene

Findet eine "Pseudokopulation" und damit ein unmittelbarer Kontakt mit dem Bienenmännchen statt, so hängt sich das Larvenknäuel in nur bis zu zwei Sekunden an die Biene.

Mit dem Knäuel im Gepäck sucht sich das enttäuschte Männchen ein "echtes" Weibchen. Ist es erfolgreich, so wechselt das Triungulinus-Knäuel bei der Kopulation das Transportmittel und steigt um auf das Weibchen.

Sobald das bepackte Weibchen zum Nest fliegt, haben die Larven ihr Ziel erreicht: Im Nest entwickeln sie sich auf Kosten der Bienen und nutzen Pollen, Nektarvorräte und Bieneneier. Die Larven reifen im Nest zu Käfern, verlassen es und legen nach der Paarung ihre Eier wiederum in der nähe der Vegetation ab.
Bestätigt: Duft entscheidend
In mehreren Versuchen testeten Saul-Gershenz und Millar nun die einzelnen Aspekte, welche die männlichen Bienen auf das Täuschungsmanöver hereinfallen lassen.

Dabei erkannten die Wissenschaftlerinnen, dass die visuelle Camouflage nicht ausreichte, um die Bienen anzulocken und zur Pseudokopulation zu bewegen.

Vielmehr wirkte eine Nachahmung der Pheromone der weiblichen Bienen. Die Zusammenarbeit der Triungulinus-Larven führe also zu einem chemischen Mimikry ("aggressive chemical mimikry"), wie bereits vermutet worden war.

Eine Kombination aus chemischen Eigenschaften und Verhaltenscharakteristika würden die Käfer-Larven dazu nutzen, das System der sexuellen Kommunikation zwischen den Bienen zu knacken.

[science.ORF.at,12.9.06]
->   Leslie S. Saul-Gershenz - Homepage
->   Ölkäfer bei Wikipedia
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->   Mimikry mit Nachteil: Hoher Energieverbrauch bei Schmetterlingen (4.2.04)
->   Die Evolution von Tarnung und Täuschung (8.2.02)
 
 
 
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01.01.2010